Julia Milla erzählt das Leben von Ferdinand und Hildegard Milla im und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Mein Uropa Ferdinand Milla, geboren am 12. Juli 1907 in Borota, Ungarn, war im Zweiten Weltkrieg Soldat. Er war ein Nebelwerfer in der Normandie, Frankreich. Nebelwerfer warfen Granaten, damit die deutschen Truppen nicht von Feinden entdeckt werden konnten. Im Jahre 1944 wurde Ferdinand von den Engländern gefangen genommen. Sie brachten ihn zunächst nach England, dann nach Glasgow in Schottland. Von dort aus startete am 29. Januar 1945 ein Schiff nach Neapel, wo es am 7. Februar 1945 ankam. Nach weiteren drei Tagen gingen sie in Port Said in Ägypten von Bord. Von dort fuhren sie mit der Eisenbahn in ein Lager.

Während seiner Gefangenschaft schnitzte mein Uropa Schachfiguren aus Holz und arbeitete in einer Werkstatt. Er schliff Kurbelwellen. Das war leichte Arbeit, er erhielt 40 Pfennig für acht Stunden. In Deutschland konnte man sich zu jener Zeit für 39 Pfennig ein großes Brot kaufen.

In Ägypten lernte mein Uropa Englisch und schrieb ein Tagebuch. Hier eine bedeutende Aussage daraus: "Was sind doch die Menschen, die mit ihrem Unverstand Völker ins Unglück stürzen, für arme Kreaturen. Wie könnte es sein? Wenn Rassen und Standesunterschiede auf der ganzen Welt beseitigt, der Geist, die Kraft und die Technik aller nur für ein Wohlleben aller Menschen und nicht für Krieg und gegenseitiges Vernichten missbraucht werden." Dieser Satz sagt viel über Ferdinands Denken und Fühlen über Krieg aus, er fand ihn unmenschlich und überflüssig.

Am 27. Juli 1947 war mein Uropa bereits drei Jahre von seiner Familie fort. Im August 1947 stand er schließlich kurz vor der Entlassung. Plötzlich kam dann alles anders, und die Gefangenen verloren den Glauben an ihr Freikommen. Schließlich starteten sie doch noch am 9. März 1948 die Fahrt zurück. Nachdem sie an Malta, Malaga, Gibraltar, Lissabon und Dover/Calais vorbeigefahren waren, passierte das Schiff am 20. März 1948 die Elbe. 55 Jahre später starb mein Uropa im November 2003. Er wurde beachtliche 96 Jahre alt.

Meine Oma Hildegard Milla kam am 30. April 1933 in Hamburg zur Welt. Sie hat den Zweiten Weltkrieg als Kind erlebt. 1940 gab es in ihrer Straße einen Bombenalarm, und eine Sprengbombe zerstörte ein Haus. Einmal erschall Bombenalarm. Zeitgleich gab es ein starkes Gewitter. Meine Oma hatte große Angst. Deswegen fürchtet sie sich heute noch vor Gewitter. 1941 kam meine Oma mit der Kinderlandverschickung ins Erzgebirge, da in Hamburg immer wieder Bombenalarm ausgelöst wurde. Die Fahrt fand bei Nacht in einem unbeleuchteten Zug statt. Als das Ziel endlich erreicht war, kam meine Oma bei sehr netten Pflegeeltern unter. Die besaßen eine Bäckerei, deswegen gab es immer genug zu essen. Bald darauf wurde meine Oma getauft. Sie fühlte sich sehr wohl. 1942 kam meine Oma mit einer weiteren Kinderlandverschickung nach Quedlinburg.

Im Juli 1943 gab es einen Großangriff auf Hamburg. Als ihr Wohnhaus von einer Brandbombe getroffen wurde, befand sich meine Oma zum Glück mit ihrer Familie in einem Kleingarten. Leider starben 13 Menschen im Haus, das löste eine tiefe Traurigkeit bei meiner Oma aus. Ihre Spiel- und Schulsachen waren mit dem Haus abgebrannt, nur eine Puppe konnte sie retten.

Durch die Luftangriffe wurde ein Großteil Hamburgs zerstört, darunter auch viele Schulen. Aus diesem Grund, und weil viele Lehrer in den Krieg ziehen mussten, gab es von 1943 bis 1945 keinen Unterricht. Daher wohnte meine Oma von 1944 bis 1945 bei einer Familie in Büchen, um in die Schule gehen zu können. Im August 1945 öffneten wieder die Hamburger Schulen. Vormittags gingen die Jungen in den Unterricht, nachmittags die Mädchen. Oder umgekehrt. Meine Oma ging bis 1948 in die Schule und danach in die Lehre. 1945-1948 war die Versorgung mit Kleidung und Essen sehr dürftig. Meine Oma hamsterte Essen vom Bauern, doch die Polizei nahm ihr alles ab. Schmuck und andere wertvolle Gegenstände, die sie gerettet hatte, tauschte sie beim Bauern gegen Eier, Kartoffeln und Speck ein. Glücklicherweise hat meine Oma diese schweren Zeiten überstanden. Heute ist sie 79 Jahre alt.