Nach sieben Jahren hat Tom Waits ein neues Studioalbum herausgebracht. Wieder erzählen die Songs von Leid und verlorener Liebe.

Chicago war für viele Afroamerikaner so etwas wie das Gelobte Land. In den 20er-Jahren verließen viele von ihnen den ländlichen Süden und zogen nordwärts in die Metropole am Lake Michigan, nach Ende des Zweiten Weltkriegs zog es erneut viele Schwarze in die "Windy City". Hier gab es Arbeit, und die Kapuzen des Ku-Klux-Klan waren Tausende von Meilen entfernt. Mit dabei hatten sie den Blues - als Gesang, aber mehr noch als bittere Erfahrung. "Chicago" heißt die erste Nummer auf Tom Waits' aktuellem Album "Bad As Me", seinem ersten Studioalbum seit "Real Gone" (2004). "Maybe things will be better in Chicago", singt er und schlüpft in die Rolle eines Bluesmusikers der zweiten Generation. Damals wurde der Blues elektrisch und nervös, Ausdruck der urbanen Hektik.

+++Songs aus dem Abgrund der Seele+++

Dazu passen die verzerrten und spastisch zuckenden Riffs der Gitarristen Marc Ribot und Keith Richards sowie das wuchtige Durcheinander von Saxofon und Posaune. Nur Charlie Musselwhites Mundharmonika erinnert noch an die lähmende Schwüle auf den Feldern in Louisiana. Doch die Dinge sind auch in Chicago nicht besser geworden. Schuld sind nicht die Umstände, nein, das Übel sind die Frauen.

"Du bist wie eine Fliege im Bier, wie ein verlorener Schlüssel, wie ein Nagel an Jesus' Kreuz", zetert Waits in "Bad As Me", in "Face To The Highway" kehrt er der bösen Frau den Rücken und macht sich auf die Socken, die Schnellstraße runter, auf Nimmerwiedersehen.

Die Songs, die Waits wieder mit seiner Frau Kathleen Brennan gemeinsam geschrieben hat, handeln von Zurückweisung, erloschener Liebe und Trübsal. Ob es mit dem Kuss in "Kiss Me" etwas wird, bleibt auch offen. "Alle Straßen führen ans Ende der Welt", heißt es in "Pay Me". Optimismus klingt anders. Aber den erwartet man von einem Moritatensänger wie Tom Waits auch nicht. Immerhin klingen einige seiner Songs weniger wild und versoffen als früher. Das zarte "Back In The Crowd" mit David Hidalgos akustischer Gitarre und dem sanft schaukelnden Rhythmus könnte ein Schmachtfetzen von Roy Orbison sein, auf "Talking At The Same Time" singt Waits mit so sanfter Stimme, dass man eine Frau hinterm Mikro vermuten könnte.

Doch die meisten der 13 neuen Songs sind typisch Waits: Er bellt die Texte wie ein Hund an der Kette, er röchelt und keift, er heult und seufzt. Der lange Weg nach Chicago war anscheinend nur ein Schritt vom Regen in die Traufe. Waits' Moral könnte lauten: Den Blues trägst du in dir, egal welche Landstraße du dir aussuchst.

Tom Waits: "Bad As Me" (Anti)