München. Ralph Siegel nennt sich selbst alter Hase. „Mister Grand Prix“ hatte viele Hits und steckte auch Spott ein. Zuletzt schrieb er Musicals. Auch 2023 schaut er auf den Eurovision Song Contest.

Musik ist sein Leben. Da lässt sich der Produzent und Komponist Ralph Siegel nicht ausbremsen - nicht von Krankheit, nicht von Kritik, nicht von finanziellen Rückschlägen. Regelmäßig sitzt der 77-Jährige in seinem Büro in Grünwald bei München. Es gibt viel zu tun, zwei Musical-Premieren stehen an. „Ich freue mich natürlich wahnsinnig darüber“, sagt er. Denn auch wenn der Schlager seine Karriere bestimmt hat, so sind Musicals die zweite musikalische Leidenschaft von „Mister Grand Prix“. Die Stücke hielten ihn - wie seine 38 Jahre jüngere Ehefrau - jung und lenkten von den Schmerzen ab, wie er sagt. Siegel hat die Nervenkrankheit Polyneuropathie.

Goldene Schallplatten an den Wänden seines Büros erinnern an Meilensteine in Siegels Karriere. Nicole, Andrea Berg, Udo Jürgens, Katja Ebstein - die Liste der Stars, mit denen er gearbeitet hat, ist lang. Zwischen vielen Fotos hängt ein Gemälde aus der Hand seines Freundes Udo Lindenberg. Und natürlich steht nicht nur ein Schreibtisch, sondern auch ein Flügel im Raum.

Größter Erfolg beim Grand Prix

Im Flur zeigt Ralph Siegel Bilder seines wohl größten Erfolges: Die erst 17-jährige Sängerin Nicole bei ihrem Sieger-Auftritt mit dem Lied „Ein bisschen Frieden“ 1982 beim Eurovision Song Contest - damals noch Grand Prix Eurovision de la Chanson. Auch gut 40 Jahre später freut er sich sichtlich darüber.

Nach etlichen Top-Platzierungen in den 80er Jahren hatte er später Flops erlebt und dafür viel Häme kassiert. Das nagt an ihm. „Was mich dann oft sehr geärgert hat: Wenn wir zum Beispiel mit Mekado oder Sürpriz den dritten Platz gemacht haben, dann hieß es: "nur Dritter". Das wurde nicht anerkannt. Dabei habe ich einmal den ersten, dreimal den zweiten, zweimal den dritten und auch zweimal den vierten Platz gemacht. Da bin ich schon stolz drauf.“

Über mögliche Ambitionen für eine weitere Teilnahme an dem Musikwettbewerb will er nicht sprechen. „Das ist ein Thema, mit dem ich nicht abgeschlossen habe, wenn ich ganz ehrlich bin.“ Und auch zum deutschen Vorentscheid für den diesjährigen ESC fasst er sich kurz: „Da sind zwei, drei Nummern dabei, die ganz gut sind. Aber dazu will ich mich nicht weiter äußern.“

Beim Grand Prix müsse man Top-Qualität abliefern, aber das Wichtigste sei: „Man muss in die Herzen von ganz Europa singen und spielen. Das ist die Kunst.“ Er selbst sei zum Glück polyglott aufgewachsen, wie er sagt. So habe er ein Gespür entwickelt, welche Musik zum Beispiel auch Italiener oder Franzosen gerne hören.

Singen in Muttersprache

Und dann bricht er eine Lanze für das Singen in Muttersprache und fordert von Radiosendern, mehr deutschsprachige Musik zu spielen. Man müsse in seiner Muttersprache singen, sonst klinge es gekünstelt und die Glaubwürdigkeit gehe verloren. Es sei ein Drama, sagt er, dass im Radio fast nur englischsprachige Musik laufe.

So könnten heut die wenigsten deutschen Autoren und Komponisten mit ihrer Musik noch den Lebensunterhalt verdienen - von wenigen Ausnahmen abgesehen wie Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer oder Sarah Connor. CDs würden kaum noch verkauft und über Streamingdienste verdienten Autoren und Komponisten kaum noch etwas. „Wir alten Hasen halten das aus, schwer wird es für die, die in den letzten Jahren angefangen haben.“ Auch da gebe es aber positive Beispiele wie Mark Forster und Max Giesinger, sagt Siegel.

Die öffentlich-rechtlichen Sender müssten sich wieder mehr dem deutschen Kulturgut zuwenden, egal ob Pop oder Rock oder das, was man pauschal Schlager nennt. „Wir brauchen wieder eine ZDF-Hitparade, statt die zwanzigste Kochsendung oder die dreißigste Quizshow.“

Während er erzählt, steckt sich Siegel eine Zigarette an. Einer seiner Mitarbeiter bringt Kaffee. Früher habe er bis zu 85 Menschen beschäftigt, heute seien es noch sechs. Es lasse sich eben nicht mehr so viel Geld verdienen.

Musicals zunächst finanzielle Debakel

Seine beiden Musicals „Zeppelin“ und „Ein bisschen Frieden - Summer of Love“ waren zunächst auch finanzielle Debakel. Die Premiere von „Zeppelin“ wurde wegen der Corona-Pandemie dreimal verschoben. Eine finanzielle Katastrophe sei das gewesen. Corona-Hilfe habe er nicht bekommen, ärgert sich Siegel. 2021 konnte das Stück dann erstmals starten, am 10. März beginnt die dritte Spielzeit.

Bei „Ein bisschen Frieden“ habe es in Duisburg Probleme mit dem Veranstalter und dem Ticketverkauf gegeben. Siegel spricht von einer „Fehlgeburt“. Im Mai soll es in Füssen einen Neustart geben.

Einen Lebenstraum will sich Siegel noch erfüllen: Dass eines seiner Musicals im Ausland gespielt wird. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf und es gibt Interessenten. Amsterdam, London, Singapur oder Sydney - das sind die Traumziele.“