Berlin. Knüppelhart bis melodisch, vertrackt bis verträumt - die Bandbreite von Porcupine Tree ist riesig. Nach jahrelanger Funkstille ist die britische Progressive-Rock-Größe zurück. Fans dürfen sich freuen.

Mehr als zehn Jahre lang gab es nichts Neues von Porcupine Tree, einer der über lange Zeit einflussreichsten Bands des Progressive Rock.

Obwohl die gewaltigen Alben des Quartetts um Mastermind Steven Wilson (54) mit den Jahren immer erfolgreicher wurden, legte der Brite sein Projekt um 2011 herum auf Eis. Er konnte sich so ganz auf seine Solo-Alben konzentrieren, die kommerziell noch höher stiegen und in Großbritannien und Deutschland sogar mehrfach einstellige Chartplatzierungen schafften.

Die Porcupine-Tree-Fangemeinde, im Laufe der über 20-jährigen Band-Entwicklung von einem weitschweifigen Psychedelic Rock hin zu treibendem, melodischem Metal immer größer geworden, sah Wilsons Solo-Werke zuletzt zwiespältig. Waren diese doch für das Genre eher gefällig und manch einem zu seicht. Nie verstummte über die Jahre die Frage: Kommen Porcupine Tree nochmal zurück?

Man dürfe als Künstler nie denken: Was wollen die Fans, was erwarten die Fans, sagte Wilson kürzlich dem «Rolling Stone». «Man muss denken: Was will ich tun, was begeistert mich?» Denn wenn man selbst nicht begeistert sei - wie könne man dann erwarten, andere zu begeistern?

Zurück als Trio

Jetzt endlich ist seine Band wieder da. Als Trio ohne Bassist Colin Edwin, aber klanglich genau dort, wo man Porcupine Tree erwartet. Mit hämmernden Bassläufen, harten Riffs, breiten Keyboard-Flächen, allerfeinster Rhythmusarbeit von Drummer Gavin Harrison und schließlich ausladenden, musikalisch sinnstiftenden Melodienbögen, die mitunter in himmlische Chöre münden.

Die typischen Eigenschaften des Porcupine-Tree-Sounds zwischen Aggressivität und Melancholie prägen auch dieses erste Studioalbum seit 2009. Fans dürfen sich musikalisch von der ersten Sekunde an zuhause fühlen.

«Closure/Continuation» entstand über einen langen Zeitraum. «Wir hatten große Freude daran, es zu machen», sagte Wilson dem «Rolling Stone». Das Album habe alle Merkmale der Porcupine-Tree-DNA, fühle sich aber an wie eine Weiterentwicklung. «Die ältesten Lyrics sind zehn Jahre alt, und wenn man bedenkst, was in den letzten zehn Jahren in der Welt passiert ist - es ist unglaublich. Es scheint, als würden wir von einer globalen Katastrophe in die nächste geraten.» Er selbst, schon immer an dystopischen Aspekten interessiert, verdanke dem viele Inspirationen.

Porcupine Tree machen da weiter, wo sie vor mehr als einem Jahrzehnt aufgehört haben. Doch kann die Band den Zauber ihrer zeitlos großen Alben wie «In Absentia» zum Leben erwecken? Das werden auch die Deutschland-Konzerte im Herbst zeigen. Wilsons diskussionsfreudige Fans werden Gesprächsstoff haben.