Berlin/London. Der Titel ist Programm: Alice Merton zeigt sich auf ihrem zweiten Album «S.I.D.E.S.» von neuen Seiten. Auf ihr poppiges Debüt folgt ein traurigeres, persönlicheres Album.

Auf Regen folgt Sonnenschein. In diesem uralten Sprichwort steckt die Idee, dass eine Situation mit der Zeit auf natürliche Weise ganz von allein besser wird.

Dieser Überzeugung ist auch die Popsängerin Alice Merton - und bringt sie auf ihrem neuen Album «S.I.D.E.S.» voll zum Ausdruck. «Es gibt immer eine andere Seite. Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels. Die Frage ist nur, wie und wann man da ankommt», sagt die 28-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Merton, die 1993 in Frankfurt/Main geboren wurde, ihre Kindheit in Kanada verbrachte und aktuell in London und Berlin lebt, startete 2017 mit ihrem ersten Hit «No Roots» durch. Der Song lief in Radios mehrerer europäischer Länder hoch und runter, in den USA schaffte er es in die Billboard Hot 100. «No Roots» handelt vom Heimatgefühl - ein persönliches Lied.

Schöne Momente, schreckliche Momente

Persönlich und intensiv - das trifft auch auf ihre neue Platte zu, die wie zuletzt so viele ein Pandemie-Werk ist. Die vergangenen zwei Jahre machten Merton oft zu schaffen. Neben schönen Momenten gab es eben auch die schrecklichen, wie sie erzählt. «Es war irgendwie eine echte Achterbahnfahrt, und darum geht es auch in dem Album.»

Die Sängerin musste eine schwere Trennung verarbeiten. Dazu kamen der Tod ihrer geliebten Großmutter und mentale Herausforderungen. Denn Merton hatte mit Panikattacken zu kämpfen und entschloss sich schließlich, Hilfe zu suchen. «Es ging mir lange Zeit sehr schlecht, und ich wusste, dass ich in Therapie muss», erzählt sie.

In dem Lied «Vertigo» beschreibt Merton ganz eindringlich, wie sich so ein Panikanfall bei ihr äußerte: «Die Hände sind schwitzig/ Mein Herz schlägt schwer (...) Der Ton wird lauter/ Der Boden beginnt zu beben», singt sie in ihrer Muttersprache Englisch. Die Therapie habe ihr aber geholfen, mit den Anfällen umzugehen und das Album zu schreiben - was sie mit dem darauf folgenden Song «Breathe In, Breathe Out» zeigt. «Atme ein, atme aus. Du bist hier», singt Merton.

Zeit für Experimente

Die 28-Jährige experimentiert in den 15 Songs mit vielen verschiedenen Klängen und Musikrichtungen. Zwar bleibt sie ihren Pop-Wurzeln meist treu, überrascht aber auf «Vertigo», «100 Stories» oder «Mania» mit einer rockigen Seite und einer kräftigeren Stimme.

«Blindside» hingegen, ihr Lieblingslied des Albums, wie sie der dpa verrät, ist wieder gewohnt poppig. Durch einen rollenden Drumbeat und Synthesizer klingt es hell und fröhlich - was jedoch nicht zum Inhalt passt.

Denn «Blindside» handelt von Menschen, die anderen nur Ultimaten stellen und denen man sich unterzuordnen hat. Menschen, die glauben, man sei von ihrem Erfolg abhängig und könne ohne sie nicht glücklich werden. Diese Ambivalenz zwischen hellen Melodien und dunklem Inhalt gefällt Merton. «Man kann eine ernsthafte Situation einfach ein bisschen lustig machen, und dann geht's einem irgendwie besser.»

Insgesamt ist «S.I.D.E.S.» ein introspektives, eher düsteres Album. Die Themen sind ernst und oftmals traurig. Trotzdem schafft Merton es immer wieder, Hoffnung einzubringen, die sie aus der Musik schöpft, denn: «Menschen brauchen immer Musik - egal was in der Welt passiert.»

Die Platte wird mit dem Lied «The Other Side» abgerundet. Aber was ist diese andere Seite? «Die andere Seite ist einfach der Moment, wo du merkst, dass es dir besser geht», erklärt Merton. Zwar könne man immer wieder auf die andere Seite kommen. Das Leben sei aber ein dynamischer Zustand und werfe einen auch immer wieder zurück. «Es ist einfach das Leben, es ist ein Zyklus, und das wollte ich mit dem Album auch ausdrücken.»

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