Berlin. Jazz meets Klassik - das kann als gequälte Crossover-Mixtur böse daneben gehen. Aber nicht bei Brad Mehldau. Mit einem Orchester an der Seite gelingt dem Piano-Virtuosen ein weiteres tolles Album.

Er gehört zu den besten (Jazz-)Pianisten unserer Zeit, außerdem zu den fleißigsten und vielseitigsten: Gerade einmal 50 ist Brad Mehldau seit vorigem August, und er hat schon Dutzende Alben als Solist, Bandleader oder Begleiter von Musikern verschiedenster Genres im Katalog.

Nun nähert sich der US-Amerikaner nicht zum ersten Mal der Schnittstelle von Jazz und Klassik - mit einem 34-minütigen Werk, auf dem ihn das renommierte Orpheus Chamber Orchestra unterstützt.

"Variations On A Melancholy Theme" zollt der coronabedingten Wehmut dieses hochsensiblen Musikers Tribut, die sich bereits auf dem Lockdown-Solo "Suite: April 2020" zeigte. "Ich stellte es mir so vor: Brahms wachte eines Morgens auf und hatte den Blues", sagt Mehldau über sein neuestes Projekt, das man auch als sinfonischen Jazz im Stil von George Gershwin ("Rhapsody In Blue") einordnen könnte.

Mehldau hatte das vor 50 Jahren gegründete New Yorker Kammerensemble, das stets ohne Dirigenten musiziert, mit einer Orchester-Version seiner Komposition beauftragt, die aus elf Variationen eines Themas, einer kurzen "Cadenza" und einer langen "Postlude"-Beigabe besteht. Diese Zusammenarbeit ist ein Glücksfall, da sie unentschlossenen Crossover-Mischmasch vermeidet.

Mehldau, der auch mal Mozart-Konzerte aufführt und 2006 einen Liederzyklus mit der Sängerin Renée Fleming veröffentlichte, steht mit seiner Jazz-Herkunft im Fokus, die Orpheus-Musiker begleiten ihn hingebungsvoll. Nach einer quirligen Zugabe endet das Album mit dem Beifall eines begeisterten Publikums.

Das Grundthema sei - wie der Titel sagt - von Melancholie geprägt, "vielleicht sogar vom Gefühl der Resignation", erklärt Mehldau. Wenn sich die Pandemie-Lage weiter bessert, wird der in New York und bei Amsterdam lebende begnadete Live-Musiker aber hoffentlich schon bald wieder auf die Bühne zurückkehren. Ob mit Pop-Coverversionen von Beatles über Radiohead bis Nick Drake, eigenen Solo- und Band-Kompositionen oder eben einem Klassik-Jazz-Mix.

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