Berlin. Wer Neil Young & Crazy Horse in ihrer ganzen Glorie auf einem Konzert-Album erleben wollte, griff bisher zu “Live Rust“. Nun kommt mit “Way Down In The Rust Bucket“ ein neues Juwel hinzu.

Es gibt "nur" gute Konzerte von Neil Young & Crazy Horse, es gibt ganz viele sehr gute - und es gibt Gigs, da schwebt jeder Hörer auf britzeligen Psychedelic-Gitarrenrock-Wolken. So beschaffen waren die Auftritte des Quartetts im November 1990, mit dem damals neuen, fantastischen Album "Ragged Glory" im Gepäck.

Die Live-Platte "Way Down In The Rust Bucket" (Reprise/Warner) präsentiert nun eine nie zuvor veröffentlichte Show des mit Mitte 40 voller Kraft aus einer Krise zurückgekehrten Meisters und seiner besten, weil rohesten Band. Die 19 teils episch langen Tracks sind eine Offenbarung. Ja, man darf wohl sogar sagen, dass das vor gut 30 Jahren im kalifornischen Santa Cruz aufgenommene Konzert mit der legendären "Live Rust"-Aufnahme von Neil Young & Crazy Horse aus dem Jahr 1979 konkurrieren kann.

Es liegt natürlich auch an der extrem mitreißenden Setlist - beginnend mit einem frischen "Country Home", über seinerzeit neue Kracher wie "Love To Burn", "Over And Over" und "Love And Only Love", bis zu den Klassikern: Wann spielt Neil Young mit seinen drei Horse-Recken oder anderen Begleitbands heute in einem Konzert sowohl "Cinnamon Girl" und "Sedan Delivery" als auch "Like A Hurricane" und dann noch "Cortez The Killer"?

"Way Down In The Rust Bucket" macht ganz nebenbei deutlich, warum der gebürtige Kanadier Young (75) gleichermaßen als eine der Folkrock-Galionsfiguren der 60er, als großer Melodienschreiber des Countryrocks und seit 1989/90 als "Godfather of Grunge" galt. All dies ist im Santa-Cruz-Konzert enthalten, auch wenn die rauen E-Gitarren im Zusammenspiel mit Billy Talbot (Bass), Ralph Molina (Schlagzeug) und Frank "Poncho" Sampedro (Gitarre) dominieren.

Einen Großteil der Songs von "Ragged Glory" spielte Young nach Label-Infos in Santa Cruz zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. Nachdem sie das Album im Frühjahr 1990 auf Youngs "Broken Arrow Ranch" aufgenommen und im September veröffentlicht hatten, betrat der Lead-Gitarrist und Sänger zusammen mit Crazy Horse am 13. November die Bühne des Clubs "The Catalyst", um dort die vor Energie nur so glühenden Lieder live abzufeuern.

Bei dem Gig wurde erstmals "Danger Bird" aus Neil Youngs 1975er Album "Zuma" vor Publikum gespielt, außerdem gehörten "Surfer Joe And Moe The Sleaze", "Love To Burn", "Farmer John", "Over and Over", "Fuckin’ Up", "Mansion On The Hill" und "Love And Only Love" zu den Live-Premieren. Und wenn Neil Young & Crazy Horse am Ende die blutige Völkermörder-Geschichte des Eroberers Cortez mit ewig brennender Wut erzählen, ist man als Hörer ausgepowert, aber happy.

"Way Down In The Rust Bucket" wurde Ende Februar in unterschiedlichen Varianten digital, auf LP und CD veröffentlicht. Die Deluxe-Box enthält eine DVD des Konzerts mit zusätzlicher 13-Minuten-Performance von "Cowgirl In The Sand" sowie vier Vinylplatten und zwei CDs.

Derweil hat Young am 26. März schon wieder neues Archivmaterial im Angebot: 50 Jahre nach dem ursprünglichen Auftritt kommt "Young Shakespeare" heraus, laut Label ein Mitschnitt und Konzertfilm, der die frühesten Filmaufnahmen von Young enthält, von deren Existenz man weiß.

Im Gegensatz zum 1990er Band-Gig mit Crazy Horse zeigt die Show in Stratford/Connecticut von 1971 den Musiker aufs Wesentliche reduziert - mit Akustikgitarre, Piano und Mundharmonika. Das Album enthält frühe Versionen von "Old Man", "The Needle And The Damage Done", "A Man Needs A Maid" und "Heart Of Gold" - also Youngs ruhige, balladige Seite, im Vorgriff auf seinen Folk-Klassiker "Harvest" (1972).

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