Berlin. Drei gut gereifte US-Singer-Songwriter stellen sich mit Platten vor, die das zähe erste Quartal ein bisschen schöner machen: Neues von Aaron Lee Tasjan, A.J. Croce und Langhorne Slim im Americana-Überblick.

Das Musikjahr 2021 beginnt bei den ganz großen Singer-Songwriter-Namen noch verhalten - eine gute Gelegenheit, sich lohnenden Alben "aus der zweiten Reihe" zu widmen. Hier sind drei davon: Aaron Lee Tasjan, A.J. Croce und Langhorne Slim.

AARON LEE TASJAN - "Tasjan! Tasjan! Tasjan!" (New West/Pias)

Wenn noch kaum jemand meinen Namen kennt, schreibe ich ihn eben dreifach und mit Ausrufezeichen aufs Plattencover: Das könnte sich dieser offenkundig mit Spaßvogel-Qualitäten und Selbstironie ausgestattete Musiker für sein bereits viertes Album gedacht haben. Tasjan, ein 34 Jahre alter Indie-Songwriter, Sänger, Gitarrist und Produzent aus Ohio, zeigt mit dieser Platte zudem, dass er zu den profunden Kennern der Musikhistorie gehört.

Denn wer so versiert die Musik von Brian Wilson ("Sunday Women"), Paul McCartney ("Another Lonely Day"), Jeff Lynne ("Up All Night"), Tom Petty ("Don't Overthink It"), Harry Nilsson ("Not That Bad") und Marc Bolan ("Cartoon Music") mixt, der hat viel von den großen Alten gelernt.

"Genreübergreifend", nennt Tasjans Label New West diese gut 37 kurzweilige Minuten dauernde Songsammlung - vor allem Britpop, (Soft) Rock, Glam und Folk tauchen als Ingredienzen auf. Bolan und David Bowie werden im witzigen "Feminine Walk" sogar namentlich erwähnt.

Dass Tasjan nicht immer nur augenzwinkernd und frohgemut durch die Welt läuft, zeigt dieses Zitat: "Die drei Dinge, die mich am meisten umtreiben, sind meine Gesundheit, das Alleinsein und das Geld." Jeder dieser drei alltäglichen Kämpfe werde in "Up All Night" thematisiert. Man sollte Aaron Lee Tasjan also nicht als Hallodri im hässlichen Pullunder (siehe Albumcover-Motiv) unterschätzen.

A.J. CROCE - "By Request" (Compass/Bertus)

Musiker, die zunächst mal Kinder berühmter Musiker sind, haben es oft nicht leicht. Auch Adrian James Croce (49) geht es nicht viel anders - er ist der Sohn des 1973 mit nur 30 Jahren bei einem Flugzeugunglück gestorbenen Nummer-eins-Songwriters Jim Croce ("Bad, Bad Leroy Brown"). Gleichwohl ist A.J. Croce (so sein Bühnenname) selbst ein hervorragender Pianist, Sänger und Songschreiber, was er jetzt auch wieder auf seinem elften Album unter Beweis stellt.

Treibender Piano-Pop, Americana-Folk und bläsersatter Southern-Bluesrock sind die stilistischen Koordinaten, zwischen denen sich der 1971 im US-Bundesstaat Pennsylvania geborene Musiker hier erneut aufhält. Es ist Croces erstes Album nach dem Tod seiner Ehefrau Marlo, die 2018 nach 24 gemeinsamen Jahren an einem plötzlichen Herzleiden gestorben war. "By Request" ist daher zwar auch ein Abschiedsalbum, es wirkt aber aufmunternd und gar nicht bedrückend - ungefähr so wie man sich eine von toller Musik begleitete Beerdigung in New Orleans vorstellt.

Das Besondere an A.J. Croce ist neben den feinen Songs seine etwas verlebt klingende, dunkelraue Stimme, die ihn von einer Randy-Newman-Kopie unterscheidet. Ansonsten ist der Einfluss des großen Ironikers unter den US-Songwritern deutlich zu hören. Besonders in "Have You Seen My Baby": eine Hommage an Newman und ein Lied, das dieser einst zusammen mit Vater Jim auf einem Konzert gesungen hatte. Außerdem verbeugt sich A.J. Croce vor Neil Young mit dem Cover "Only Love Can Break Your Heart" und vor den Beach Boys ("Sail On Sailor"). Ein sehr gelungenes Werk.

LANGHORNE SLIM - "Strawberry Mansion" (Dualtone/eOne/SPV)

Wie A.J. Croce wurde auch Sean Scolnick alias Langhorne Slim im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren (genauer gesagt vor 40 Jahren im Ort Langhorne, von dem er sich den Künstlernamen lieh). Innerhalb des Americana-Feldes sind die beiden Musiker aber in recht weit entfernten Regionen tätig. Der seit zwei Dekaden als Singer-Songwriter aktive Langhorne Slim ist auch auf "Strawberry Mansion" ganz der klassische Country-Folk-Songwriter auf Bob Dylans Spuren (bis hin zur nasal-hellen Stimme).

In 19 oft kurzen (45 Minuten Gesamtspielzeit) Songs erzählt der Künstler von seinen Kämpfen mit Angststörungen und Depressionen - und von Heilung. Bei all dem Elend ist Langhorne Slim letztlich doch irgendwie Optimist geblieben - etwa im Opener "Mighty Soul", in dem auch Wirbelstürme und Seuchen seine Zuversicht nicht dämpfen: "Someday the world might come and blow your house down / First a tornado then a plague / Let us use our hands to help and hold / Let us pour love into the Mighty Soul."

Tatsächlich hatte ein Tornado im Februar 2020 Teile seines Viertels in Nashville verwüstet - kurz vor der Corona-Welle in den USA. Das Schreiben sei für Langhorne "ein dringend benötigter kathartischer Prozess" gewesen, schreibt sein Label.

"Als er begann, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen, durchbrach Slim seine kreative Blockade, indem er endlich einen Song schrieb. Bald darauf und zu seiner Überraschung erlebte er einen Strom des Bewusstseins und schrieb einen Song nach dem anderen, ohne darüber nachzudenken." Das siebte Album dieses US-Musikers soll nun auch anderen Hoffnung spenden.

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