Berlin. Der Herbst ist da - und hier kommt gleich die passende Musik: Neue Alben vom Langzeitprojekt Sophia, von den kanadischen Düster-Rockern The Dears und den tieftraurigen Australiern The Apartments.

Drei Alben, deren Cover überwiegend schwarz gehalten sind - gewiss kein Zufall: Dies ist Musik für die späten Stunden und die dunkle Jahreszeit, von Sophia, The Dears und The Apartments.

Schon fast 25 Jahre sind SOPHIA in den schattigeren Ecken des Pop-Business unterwegs, ein Bandprojekt wechselnder Musiker um den in Berlin lebenden US-Sänger, Songwriter und Gitarristen Robin Proper-Sheppard. Das Tolle am sehr typischen Sound dieser derzeit fünfköpfigen Truppe: Ihr melancholischer, atmosphärischer Postpunk/Indiepop ändert sich von Album zu Album nur um Nuancen - aber man will es als Hörer auch gar nicht anders.

Denn niemand leidet so schön wie Proper-Sheppard. "Holding On / Letting Go" (Flower Shop) macht es daher nun wieder einmal leicht, ein Comeback von Sophia euphorisch zu begrüßen. Der Sänger raunt und barmt mit so dramatischem wie verletzlichem Bariton, die Band unterstützt ihn mit teils eisig schneidenden, teils bombastisch warmen Gitarren und bollernden Bässen, es gibt viele Keyboards zu hören und gelegentlich auch etwas Bratsche oder Saxofon von Terry Edwards.

Das achte Studioalbum von Sophia ist das erste in voller Bandbesetzung seit "Fixed Water" (1996). Man merkt, dass der als "Musik-Nomade" bezeichnete Proper-Sheppard mit diesem Projekt heimisch geworden ist - selbstsicherer und überzeugender klang er jedenfalls noch nie seit seinen musikalischen Anfängen Anfang der 90er Jahre mit der Band The God Machine. Wer bei "Holding On / Letting Go" an The Chameleons oder The Cure, Nick Cave & The Bad Seeds oder auch The National denkt, liegt nicht verkehrt.

Oder man fühlt sich an THE DEARS erinnert, die zwar weniger bekannt sind als die gerade genannten Bands, in der Indierock-Szene aber ebenfalls ihren Stellenwert haben. Auch hier kommt das Cover-Artwork wohl kaum von ungefähr: Es zeigt selbstverständlich nicht die Sonne, sondern einen schwarz-blau-weiß illuminierten Mond. Auch "Lovers Rock" (Dangerbird/The Orchard/Bertus) bietet also dunkel-romantische Herbst- und Wintermusik pur.

Wie Sophia veröffentlichen die aus dem kanadischen Montréal stammenden Dears ihr bereits achtes Album. Frontmann Murray Lightburn, seine Ehefrau Natalia Yanchak sowie Jeff Luciani, Steve Raegele und Rémi-Jean LeBlanc sind bereits seit 2003 Experten für große Klanggemälde mit subtilem Groove - und ganz viel Synthie-, Sax- und Streicherschmelz (diesmal besonders schön in "Is This What You Really Want?"). Damals gelang der Band mit dem bis heute unerreichten "No Cities Left" der Durchbruch.

Lightburn sieht eine nicht gerade optimistische Verbindung: "Es erscheint fast so, als sei 'Lovers Rock' mit 'No Cities Left' auf unheimliche Weise verbunden. Aber es ist eine andere Art von Untergang, mit dem die Welt hadert. 2001 fühlte es sich so an, als hätten wir keine Kontrolle. Wir wussten nicht, was als Nächstes passieren würde. Jetzt ist es ein absehbarer Untergang. Die Katastrophe liegt in der Luft. Aber wir haben dem nichts entgegenzusetzen." Mit "apokalyptischen Liebesliedern" versuchen The Dears dagegenzuhalten.

Und noch einmal traurige, in diesem Fall besonders anrührende Musik: Für ihre verhangenen Balladen werden Peter Milton Walsh und seine Band THE APARTMENTS aus Sydney von Kritikern schon lange gelobt, hinzu kommt eine fast kultische Verehrung durch viele Fans. Sie alle werden auch das neue Album "In And Out Of The Light" (Talitres/Rough Trade) ins Herz schließen.

2015 hatten The Apartments nach über einem Jahrzehnt Funkstille mit dem formidablen Tränenzieher "No Song No Spell No Madrigal" ein großes Comeback gefeiert. Wunderbare Gesangsarrangements und Streichersätze säumten die sehr persönlichen Texte von Walsh, der mit mal herber, mal brüchiger Stimme über seine Verluste und sein Leben sang. Wer sich als Zuhörer noch an die Cinemascope-Lieder von The Blue Nile oder David Sylvian erinnern konnte, war bei diesem Hochgenuss klar im Vorteil.

Die acht neuen Songs sind wieder von erlesener Qualität - als wären Burt Bacharach und Nick Cave zu einer Songwriting-Session zusammengekommen. Manche Stücke wie "Pocketful Of Sunshine" oder "Butterfly Kiss" sind fast schmerzlich intensiv - und "We Talked Through Till Dawn" beginnt gleich mit Regengeräuschen. Insofern ist auch "In And Out Of The Light" - kurz vor dem Corona-Lockdown in Australien fertiggestellt - ein typisches Apartments-Album, das Herz und Hirn anspricht.

© dpa-infocom, dpa:201023-99-53253/4