Berlin. Vor zwölf Jahre war Laura Marling eine Art Billie Eilish des Folkpop - früh gereift, enorm talentiert, sehr eigenwillig. Mit ihrem siebten Soloalbum beweist die Britin nun, dass Singer-Songwriter für ein Meisterwerk nicht unglücklich sein müssen.

Laura Marling ist kürzlich 30 geworden - doch es kommt einem so vor, als sei die britische Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin mit den hellblonden Haaren schon ewig dabei.

Stimmt ja auch irgendwie: Anfang 2008 brachte die als (mindestens) Jahrzehnt-Talent gerühmte Musikerin ihr Debütalbum heraus, da war sie gerade 18. Eine Billie Eilish des Folkpop gewissermaßen.

Jetzt also "Song For Our Daughter", die siebte Solo-Studioplatte der jungen Frau aus London. Die enthält neben dem von Marling gewohnten ambitionierten Gitarrensound auch wunderbar warme Soul-, Gospel- und Country-Elemente. Dieses Album ist ein großer Wurf, der Laura Marling in die Liga von Joni Mitchell, Carole King, Leslie Feist oder Aimee Mann befördern sollte.

Zarte Streichersätze wie einst beim Britfolk-Säulenheiligen Nick Drake (1948-1974) durchwehen einige dieser prächtigen Lieder. Piano, elektrische und akustische Gitarren inklusive Pedal-Steel, sanfter Bass und Schlagzeug setzen hauchfeine Akzente, und Laura Marling singt - ja, man kann es kaum anders ausdrücken - einfach göttlich.

Alles früher auch mal nervig Altkluge einer frühreifen Künstlerin ist von ihrer Musik abgefallen, aus ihrer Stimme gewichen. "Song For Our Daughter" tritt zudem den Beweis an, dass Singer-Songwriter nicht unbedingt nur als unglückliche Menschen Bestform erreichen: Marling befindet sich nach Angaben ihres Labels "in einer funktionierenden langjährigen Beziehung", Zufriedenheit und Angekommensein lassen ihre Texte und Melodien noch zusätzlich erstrahlen.

Während Stars wie Lady Gaga, Alicia Keys oder Alanis Morissette wegen der Corona-Pandemie ihre Veröffentlichungen verschieben, geht die mit dem BRIT Award ausgezeichnete, Grammy-nominierte und auch kommerziell durchaus erfolgreiche Marling einen anderen Weg: "Song For Our Daughter" sollte im August herauskommen - aber nun ist das zehn Songs in 37 Minuten umfassende Album bereits auf dem Markt. Vielleicht konnte die 30-Jährige es gar nicht mehr abwarten, die vermutlich allseits euphorischen Reaktionen auf ihre beste Platte zu erleben.

Schon der Vorgänger "Semper Femina" von 2017 hatte eine gereifte, weniger spröde Laura Marling präsentiert, ihr Gesang war runder, weicher als davor. Die kristallklare Naivität der Stimme vom Debüt "Alas, I Cannot Swim" und dem Nachfolgers "I Speak Because I Can" war verschwunden.

Nach "Semper Femina" arbeitete sie mit dem Theaterregisseur Robert Icke zusammen und gründete mit Mike Lindsay das Duo Lump. Und Marling, diese musikalische und intellektuelle Überfliegerin, schrieb sich für ein Masterstudium in Psychoanalyse ein. Nach vielen Jahren auf Tournee und zeitweise auch in den USA kehrte die Künstlerin nach London zurück.

Ihr Leben, so Marling, sei gerade "sehr bequem". Deswegen traut sie sich nun, nicht immer nur Autobiografisches zu erzählen, sondern auch Geschichten anderer Menschen, die sie mit eigenen Erfahrungen lediglich anreichert.

So ist Marlings Album-Opener "Alexandra" eine Art Hommage an "Alexandra Leaving" von Leonard Cohen (1934-2016), dessen Einstellung sie fasziniert: "Er schreibt auf so wunderschöne Weise über Frauen." Dem Songwriter-Olymp, in dem ihre Vorbilder Nick Drake, Leonard Cohen, Joni Mitchell oder Paul McCartney thronen, ist Marling mit Liedern wie "Blow By Blow", "Fortune" oder "For You" näher gekommen.

Dass die Platte "Song For Our Daughter" nun so plötzlich erscheint, hatte auch mit ihrer Ungeduld zu tun: "Ich wollte einfach mit diesem Album fertig werden, damit ich sechs Monate auf Tour gehen kann. Darauf freue ich mich echt", sagte sie kürzlich. Ihre Fans werden sich freuen, Laura Marling dann nach dem Corona-Stillstand auf der Bühne wiederzusehen.

Auf Instagram erklärte die Musikerin kürzlich auch den zunächst etwas rätselhaften Plattentitel: "Und genau darum geht es auf dem Album: Wie würde ich meine Tochter leiten, führen, wie kann ich sie für das Leben in all seinen Nuancen wappnen und ausrüsten? Ich bin inzwischen älter - alt genug, um wirklich eine Tochter zu haben."

Womöglich hätten die Lieder in diesen schweren Zeiten auch darüber hinaus eine positive Wirkung, hofft Marling: "Vielleicht kann das Album unterhalten oder uns näher zusammenbringen."