Berlin. Respekt und Sympathie sind für Nils Landgren Basis des Zusammenspiels im Jazz. Das neue Duo-Album des Posaunisten und Sängers mit dem sensiblen Pianisten Jan Lundgren zeigt, wie perfekt das funktionieren kann.

Kürzlich hat er das Bundesverdienstkreuz erhalten - für seine großen Verdienste um die deutsche Musikszene und den kulturellen Austausch mit Skandinavien. Auch kommerziell war das Jahr 2019 für den schwedischen Posaunisten und Sänger Nils Landgren ein ganz besonderes.

Der 63-Jährige hatte wesentlichen Anteil an den beiden erfolgreichsten Jazz-Alben in Deutschland. Gemeinsam mit Michael Wollny (Piano), Lars Danielsson (Bass) und Wolfgang Haffner (Schlagzeug) als Allstar-Band 4 Wheel Drive kam er an die Spitze der Jazz-Auswertung für 2019 - das Album "4WD" stand zwei Monate lang in den Charts ganz oben. Außerdem belegte Landgren mit "Christmas With My Friends VI" Platz 2 im Jahresranking.

Kurz nach dem Ende dieses auch für ihn denkwürdigen Jahres hat "Mister Red Horn", wie er wegen seiner roten Posaune genannt wird, bereits wieder ein neues Album draußen: "Kristallen" (ACT), eine Duo-Aufnahme mit dem Landsmann Jan Lundgren (53) am Klavier. Wie sehr das Zusammenspiel in der kleinsten musikalischen Einheit jenseits des Soloauftritts auf Sympathie, Sensibilität und Vertrauen beruht, zeigt diese Platte vorbildhaft.

"Das Duo im Jazz ist wirklich eine Riesenherausforderung", bestätigt Landgren im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Man muss Respekt voreinander haben und sich mögen. Man muss zu den kleinsten Bestandteilen der Musik zurückgehen, man muss den Mut haben, die Musik atmen zu lassen. Ja, man muss wirklich mit großen Ohren an die Sache herangehen."

Mit Jan Lundgren, dem bescheidenen Begleiter vieler großer Jazz-Frontmänner und Teil des Erfolgstrios Mare Nostrum mit Paolo Fresu und Richard Galliano, gelingen Landgren auf "Kristallen" 13 wunderbare Miniaturen: Traditionelles aus Schwedens Folklore (wie schon in seinem frühen Duo-Projekt mit einem jungen Jazzpiano-Wunder namens Esbjörn Svensson vor gut 20 Jahren), Spezielles von Keith Jarrett und Abdullah Ibrahim, Popsongs von den Beatles und Jimmy Webb, vier eigene Kompositionen der beiden Musiker.

"Wir haben in den letzten fünf Jahren regelmäßig Duo-Konzerte gegeben, und das fanden wir ganz toll", erzählt Landgren über die gewachsene Beziehung zu Lundgren. "Jan war ja schon bei meinem Leonard-Bernstein-Tribute dabei. Wir mögen uns einfach, und irgendwann haben wir in Göteborg unser Lieblingsstudio gebucht - gesagt und getan."

Die Auswahl der Stücke fiel beiden Musikern mit ihrem breiten, nicht jazzpuristischen Geschmack offenbar leicht. "Wir hatten nur den Plan, Sachen auszusuchen, die wir beide mögen - und einige eigene Beiträge. Die schwedische Volksmusik, diese melancholische, mollgetränkte Schiene, die gehört ja zu unserem Kulturerbe. Und ich wollte auch Lieder dabei haben, wo ich singen kann", sagt Landgren.

Das tut er mit seiner hellen, freundlichen, leicht heiseren Stimme beispielsweise sehr schön in Jimmy Webbs "Didn't We". "Der Song hat diese große Melancholie. Es geht um ein Paar, das es fast geschafft hat, aber eben nicht ganz", sagt Landgren. "Solche Lieder mag ich - Lieder, die richtige Geschichten erzählen, und Texte, die mich berühren." Die Beziehung zu den Beatles, von denen das Duo-Album "I Will" und "Norwegian Wood" enthält, sei für ihn "sowieso eine ewige Liebesgeschichte. Ich bin ja schon 1963 zu 'She Loves You' ausgeflippt."

Nils Landgren ist auch nach über 40 Jahren im Geschäft und einer Weltkarriere ein Musiker, der so richtig ins Schwärmen geraten kann. Über den derzeitigen Klavierpartner Lundgren sagt er im dpa-Interview: "Er ist eine tolle, coole Person. Es ist sehr einfach, mit ihm zu arbeiten, und er ist dabei ein Virtuose." Lundgren sei "im positiven Sinne ein traditioneller Jazzpianist. Er hat große Kenntnisse und Respekt vor der Jazz-Tradition. Aber er kann auch loslegen - so richtig."

Diese feurige Seite des Pianisten ist auf "Kristallen" eher die Ausnahme. Landgren/Lundgren genießen eher das lyrische Auskosten starker Melodien. So entsteht aus dem perfekten, zugewandten Zusammenspiel der beiden Könner ein ruhiger kammermusikalischer Jazz, der Nils Landgren vielleicht mal nicht in die Charts bringt, sein üppiges Gesamtwerk aber sehr eindrucksvoll ergänzt.

Duo-Konzerte von Nils Landgren & Jan Lundgren sowie Paolo Fresu & Lars Danielsson im Frühjahr: 26.03. Lüneburg, Audimax, 27.03. Hamburg, Laiszhalle, 28.03. Dortmund, Konzerthaus, 29.03. Frankfurt/Main, Alte Oper, 30.03. Allensbach, Gnadenkirche, 01.04. Düsseldorf, Tonhalle, 04.04. Hannover, Theater Am Aegi, 05.04. Halle/Saale, Steintorvarietee, 06.04. München, Muffathalle, 09.04. Neunkirchen, Gebläsehalle, 10.04. Stuttgart, Theaterhaus, 15.04. Berlin, Kammermusiksaal