Musik

Debütanten im Salon

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Heinrich Oehmsen

Acht junge Autoren und Autorinnen bewerben sich um den diesjährigen Klaus-Michael Kühne-Preis. Ihre Bücher schauen hinter die Lebenswirklichkeit unserer Zeit

Sie ist 17, in Berlin geboren und lebt im Wedding, einem der raueren Stadtteile der Hauptstadt. Sie heißt Hazal Akgündüz. Ihre Eltern sind aus der Türkei eingewandert, doch sie fühlen sich fremd in Deutschland. Auch Hazal lebt zwischen den Kulturen. Auf der Suche nach seiner Heimat begeht das Teenager-Mädchen fatale Fehler. Es wird in einen Totschlag verwickelt und flieht nach Istanbul, wo es noch nie zuvor war. Doch die Metropole am Bosporus ist alles andere als das Paradies, das Hazal sich ausgemalt hat.

Fatma Aydemir, 1986 in Karlsruhe geboren und Journalistin, erzählt in ihrem Debütroman von den vielen Menschen, die zwischen den Kulturen und Nationen leben. Ihre Coming-of-Age-Geschichte ist hochaktuell. Sie endet in der Nacht im Juli 2016, als Militärs gegen Präsident Erdogan putschen. Aydemir ist eine von acht Debütanten, die sich in diesem Jahr einer Jury von Hamburger Literaturkritikern stellen und sich um den Klaus-Michael Kühne-Preis bewerben. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert, die Preisverleihung findet am 22. September auf der „Cap San Diego“ statt.

Noch zwei andere der Debüt-Romane spielen in Berlin. Felix Lobrecht erzählt in „Sonne und Beton“ von einem heißen Sommer in Gropiusstadt, einer Hochhaussiedlung in Neukölln. Hier stromert der Ich-Erzähler Lukas mit seiner Clique aus ein paar 16-jährigen durch die Häuserschluchten. Sie haben kein Geld, keine Perspektiven, aber ein freches Mundwerk. Bei den Sauf- und Prügelorgien eines Protagonisten punktet Lobrecht mit authentischem Berliner Slang und einem furiosen Ende.

Aus sieben Episoden setzt sich ­Rudolph Herzogs „Truggestalten“ zusammen. An der Oberfläche sieht sein Berlin der Gegenwart aus wie der Inbegriff der modernen Metropole. Es ist eine Stadt der Neuankömmlinge, Investoren und Partyhungrigen. Doch zugleich ist dies geschichtsträchtiger Boden – von den gesellschaftlichen Umbrüchen der Kaiserzeit bis zu den Schrecken der Nazizeit und der ­besonderen Situation der geteilten Stadt.

Die Menschen des neuen Berlin werden von der Vergangenheit der Stadt eingeholt: Eine junge amerikanische Künstlerin sieht Blutflecken am Boden, die spurlos verschwinden. Ein Kreuzberger Hipster ahnt, dass mit seiner Wohnung etwas nicht stimmt. Nichts in „Truggestalten“ ist so, wie es zu sein scheint.

Die inhaltliche und topografische Bandbreite der Debütantenromane ist groß, das macht die Auswahl ziemlich reizvoll. Die Romane spielen im Iran (Nava Ebra­himi: „Sechzehn Wörter“), im Sperrgebiet der damaligen DDR (Isabel Fargo Cole: „Die grüne Grenze“) oder auf einem Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern (Alina Herbing: „Niemand ist bei den Kälbern“); sie erzählen von Teenagernöten Anfang der 70er-Jahre (Stephan Lohse: „Ein fauler Gott“) und von zwei Kindern, die von ihrer trinkenden Mutter allein ­gelassen werden (Julia Weber: „Immer ist alles schön“).

Debütantensalons Erster Abend mit Fatma Aydemir und Felix Lobrecht am 14.9.; zweiter Abend mit Isabel Fargo Cole und Rudolph Herzog am 16.9.; dritter Abend mit Nava Ebrahimi und Alina Herbing am 18.9.; vierter Abend mit Julia Weber und Stephan Lohse am 19.9.; die Lesungen finden im Nochtspeicher statt, Beginn jeweils 19 Uhr.Tickets pro Abend 10 Euro, erhältlich unter T. 30 30 98 98. Preisverleihung 22.9., 20 Uhr,„Cap San Diego“, Tickets 14 Euro unter T. 30 30 98 98

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