Musik

Seelenreisen auf offener Bühne

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Ilja Stephan

HfMT-Doppelpremiere in der Opera stabile

Die Erkenntnis ist uralt und wurde immer wieder leidvoll bestätigt: Männer und Frauen können einfach nicht mit­einander. Loriots von hartgekochten Frühstückseiern und weiblicher Dialektik entnervter Ehemann zog daraus die ultimative Konsequenz: „Ich bring sie um. Morgen bring ich sie um.“ Zwei ­Regie-Studentinnen der Hochschule für Musik und Theater widmen den ­Abgründen des Paardaseins – und dem Zauber der Intimität – nun einen kompletten Opernabend. Am 29. Oktober haben ihre Inszenierungen von Philip Glass’ „The Sound Of A Voice“ und Béla Bartóks „Herzogs Blaubarts Burg“ in der Opera stabile Premiere.

Philip Glass’ Oper lässt Vorgeschichte und Frühstückseier weg und springt mitten hinein ins Wesentliche: Er will sie umbringen. In der Novelle von David Henry Hwang, die der Oper ­zugrunde liegt, beauftragen die Bewohner eines Dorfes einen Samurai, eine ­angeblich männermordende Hexe aus der Welt zu schaffen. Daraus wird nichts, stattdessen kommen die beiden einander in vielen kleinen Schritten näher. Einen „mystischen Charme“ attestiert die Regisseurin Aileen Schneider dem Stoff. Einsamkeit und die „Angst vor der Stille“ bildeten den emotionalen Kern dieser Kurzoper. Glass macht Angst, aber auch Trost erfahrbar, indem er den Strom seiner Musik immer wieder jäh unterbricht und nur die Stille oder den Klang der japanischen Bambusflöte Shakuhachi sprechen lässt. Es ist die magisch-intime Stimme dieser Flöte, die den Auftragskiller schließlich berückt.

Herzog Blaubart ist der sprichwörtliche Gattinnen-Mörder. In der Version von Béla Bartók und seinem Textdichter Béla Balázs wird die Blutrünstigkeit der Vorlage allerdings sublimiert, hier ist alles nur noch Symbol. „Herzog Blaubarts Burg“ ist ein reines Seelendrama. Die düstere Burg, die auf der Bühne gezeigt wird, repräsentiert das Innenleben des Helden. Schritt für Schritt hellt dessen Geliebte Judith die Dunkelheit auf, öffnet nach und nach neue Räume – und entblößt Blaubarts intimste Geheimnisse. So wird Judith zuletzt ebenso als Erinnerungsbild in die Galerie verbannt wie alle ihre Vorgängerinnen. Als Studie über „die Notwendigkeit des Scheiterns in der Liebe“ bezeichnet die Regisseurin Sarah Kohm das Stück.

Die faszinierende Grundidee von „Herzog Blaubarts Burg“ ist, dass ein ­Gebäude, die titelgebende Burg des Herzogs, zur gebauten Metapher seiner seelischen Hinterzimmer, Folter- und Schatzkammern wird. Sarah Kohm weitet diese Idee auf das Gebäude aus, in dem die Oper aufgeführt wird. Mittels Live-Cams, deren Bilder in der Opera stabile projiziert werden, öffnet sie Durchblicke in ein Labyrinth aus Gängen, Kammern und Bühnen. So wird der verzweigte Komplex der Hamburgischen Staatsoper selbst zu „Herzog Blaubarts Burg“.

„The Sound Of A Voice“/„Herzog Blaubarts Burg“ 29.10., 19.30, Opera stabile (Premiere). Weitere Vorstellungen am 31.10. und 1.11., jeweils 19.30, , Karten zu 18,- unter T. 35 68 68

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