Sven Kerschek, Jazz-Gitarrist und -Bassist aus Hamburg, erhält den Werner-Burkhardt-Musikpreis

Hamburg. Zu den am wenigsten befriedigenden künstlerischen Lobpreisungen zählt das Wort vom Ausnahmemusiker. Es wird ja oft gerade denen wie eine Medaille um den Hals gehängt, die eigentlich ziemlich normal sind - also ehrgeizig, beflügelt vom Geist des Wettbewerbs, technisch um Unantastbarkeit bemüht. Ein Ausnahmemusiker müsste vielmehr einer sein, der in diesen Kategorien aus der Norm fällt. Sven Kerschek, der heute, zum Auftakt des Festivals Überjazz auf Kampnagel, den erstmals vergebenen Werner-Burkhardt-Musikpreis entgegennimmt, ist ein im schönsten Sinne unnormaler Musiker.

Er sei ein "Gitarrenvirtuose, der als jüngster Spross einer Künstlerdynastie das Licht der Welt im malerischen Flensburg erblickte"; diesen immergleichen Satz liest man auf etlichen Webseiten, vermutlich stammt er von ihm selbst. Kerschek ist erst mal überraschend, denn häufiger als mit der Gitarre sieht man ihn mit einem E-Bass auf den Bühnen des Jazz. Er hat in Hamburg Gitarre studiert, aber nach längerer Pause gerade erst wieder angefangen, sie zu spielen. Und diese Pause legte er sozusagen aus Protest ein. Zu viel Virtuosentum allenthalben, zu viel Leere, zu viel Tönegeklingel.

Kerschek können auch drei Akkorde glücklich machen. Wenn es die richtigen sind. Dass man sein Instrument irgendwann technisch kann, betrachtet er als Quantité négligeable. Interessant wird es für ihn erst da, wo das Spiel beginnt, wo man Musik aus dem gemeinsamen Tun heraus erfindet, ohne Netz und doppelten Boden, ohne Versteckspiel hinter Floskeln. Sein Standpunkt gegenüber der Musik ist ziemlich radikal. Kompositionen machen ihn misstrauisch; wenn alles schon fertig ist, wenn nur noch das Stück gespielt werden soll, sieht er sich um das eigentliche Vergnügen gebracht.

Sven Kerschek gehört zur Hamburger Jazz-Szene wie das Wasserzeichen zu gutem Papier. Vielen Bands drückt er eben nicht seinen Stempel auf, sondern er prägt sie diskret, von innen heraus, vorzugsweise am bundlosen Bass, den er schöpferisch unruhig und rhythmisch so vielgestaltig spielt, dass man ihm auch allein zuhören kann, ohne sich je zu langweilen. Er lebt als freischaffender Musiker. Er ist ein Künstler im Prekariat. Übersetzt heißt das: Er lebt mit Ach und Krach von der Hand in den Mund. "Aber bisher hat der Musikergott immer für mich gesorgt", sagt der Mann, der beim chronischen Schnellsprechen manchmal auch anderthalb Gedanken ungesagt bleiben lässt. Jetzt meint der Musikergott es wieder mal gut mit ihm: Der Werner-Burkhardt-Musikpreis kommt mit einem Scheck über 5000 Euro.

Preisträgerkonzert Fr 26. Oktober, 19.00, Kampnagel K 1

Der Autor dieses Textes ist Mitglied der Jury, die den Werner-Burkhardt-Musikpreis vergibt.