Die penetrant authentische britische Indierock-Folkband Mumford & Sons überzeugt auf ihrem neuen Album “Babel“

Die anstrengendste Platte zurzeit? Die neue von Animal Collective. Aber natürlich! Welche sollte es sonst sein? Billy Talent!? Zählt nicht. Nehmen wir eh nicht ernst. Jetzt mal ehrlich: Den Hipster-Kram von Animal Collective (immer weit vorne sein, früher als andere Bescheid wissen, den neuen Style etablieren) hat man bis gerade eben noch gemocht, aber dann haben die Musiker aus Übersee ihren Songs ein paar Umdrehungen zu viel verpasst. Wie anders dagegen Mumford & Sons.

Mumford & Sons ist eines der Pop-Ereignisse der vergangenen Jahre, wenn man die Bands in den Blick nimmt, bei denen Gitarren im Spiel sind. Marcus Mumford und Kompagnons machen so ziemlich das Gegenteil von Animal Collective, dies fängt schon beim Albumtitel an: Hier plakativ "Babel", dort wirr und hermetisch "Centipede Hz". "Centipede" ist Englisch und heißt Hundertfüßer. Hundertfüßermäßig ist auch der Sound der psychedelisch und experimentell angehauchten Band. Sie hat viele Ideen. Ihre Musik ist fordernd. Diesmal sogar: verdammt mühsam.

Mumford & Sons dagegen, um endgültig zum eigentlichen Gegenstand dieses Textes zu kommen, haben nur genau eine Idee: Sie wollen Musik mit Seele machen. Dazu braucht es Akustikgitarre, Mandoline, Banjo, Akkordeon, Kontrabass - und den mitunter vor lauter Empfindsamkeit bebenden Sänger Marcus Mumford. Der ist manchmal ein Erbauungspoet, der uns vom Aufseufzen ob unseres schweren Loses abhalten will (in "Sigh No More", dem Titelstück der ersten Platte); dabei aber mitreißend. Der Verstand sagt, wenn er diese im Irish Folk, im Bluegrass, aber auch im Indie Rock verankerten Songs hört: Geh dem nicht auf den Leim. Wie altbacken, dieses Konzept: getrimmte Bärte tragen, manierlich aussehen, schwitzen, ernsthaft sein, den Working-Class-Hero geben und immer so wirken, als würde man mit jedem ein Bier trinken gehen in der nächsten Pinte.

Es verhält sich mit Mumford & Sons aber so wie mit einem Topf Schokolade: Versuch zu widerstehen, es wird dir nicht gelingen. Als Mumford & Sons unmittelbar vor ihrem großen Durchbruch, ziemlich genau drei Jahre ist das her, im Molotow spielten, war das natürlich eine mächtige Raserei.

Auf und vor der Bühne. 80 Leute waren wahrscheinlich da, der Laden war halt voll, ins "Molli" passen nicht so viele. Mumford hatte ein Handtuch neben sich liegen, der Schweiß perlte, und er wird sich gedacht haben: Ich bin ja auch schon in Glastonbury aufgetreten, vor 80 000 Leuten, aber hier ist es auch super. Und das stimmt. Es war super.

Auf Platte geht ein gewisser Effekt der Fiddel-Songs verloren, und so gut wie auf "Sigh No More", dessen großer Hit "Little Lion Man" war, ein rührend simpler Bekenntnis-Song ("I really fucked it up this time"), so gut sind Mumford & Sons auf "Babel" nicht mehr. Wie auch? Variablen sind in ihrem Programm nicht vorgesehen. Sie machen traditionelle Musik, und diese ist per se konservativ. Die erste Single heißt "I Will Wait", und gewartet wird auf - das "Du", auf was sonst. "Babel" wird in daheim in England, aber auch in Amerika, wahrscheinlich auf Platz eins der Albumcharts debütieren.

Der Erfolg in Amerika ist überwältigend: Oasis, aber auch Robbie Williams haben es drüben ja nicht geschafft. Manchen fällt die (penetrante) Authentizität von Mumford & Sons auf die Nerven, aber sie ist zugleich die Grundlage des Erfolgs: Trau niemals deinem Bankberater, glaub nur dem Mann mit der Mandoline.

Mumford & Sons: "Babel" (Cooperative)