Hamburg. Auf diesen wunderschönen Film muss man sich einlassen: Musik ist in hier keine Untermalung für eine Handlung, sondern selbst das Thema, das in diesem Fall ganz ohne Dialoge auskommt. „Shiver“ ist auch kein klassisches Musikvideo, denn dafür bietet der Experimentalfilm des Japaners Toshiaki Toyoda zu viele Rätsel. Menschen mit weißer Maske etwa, die hinter Steinen geistergleich auftauchen; wir sehen Bilder von Schreinen, langen Treppen im Urwald und unberührter Natur wie einem wilden Bach, der sich zum Wasserfall aufbäumt, oder einem Meer, das sich an stoischen Felsen bricht.
Es ist, als sei der Geist der Taiko-Trommler in die Natur gefahren. Taiko bezeichnet sowohl die große Röhrentrommel als auch die Spielweise des Trommelensembles. Hier ist es das schon häufig in Deutschland aufgetretene Ensemble Kodo, das der japanische Komponist Koshiro Hino auf der japanischen Insel Sado dirigiert.
Kino: Musikalischer Experimentalfilm
Die Musiker schlagen auf Metallschalen, streicheln Holzklötze, klatschen in die Hände und bringen eine Stimme zum Vibrieren. Oder zwei Männer duellieren sich auf beiden Seiten der Trommel. Beeindruckend, wie die Künstler ihre Körper anspannen, schreien und in ihrer Kunst aufzugehen scheinen, während die Natur entweder wild dazu tanzt oder einen kontemplativen Gegenpol setzt. Das ist mal gewollt dramatisch, mal bewusst verrätselt, mal einfach nur stimmungsvoll – und immer berührend.
„Shiver“ 89 Minuten, ohne Altersbeschränkung, läuft im Abaton, Blankeneser, Zeise
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