Toronto –. Eine Gruppe von Feinschmeckern reist für das ultimative kulinarische Erlebnis auf eine abgelegene Insel – und bekommt in der Horror-Satire schockierende Überraschungen aufgetischt.

Ralph Fiennes bittet zu Tisch. Oder eher: Er befiehlt zu Tisch. Als arroganter Chefkoch Slowik kündigt der britische Schauspieler in der dunklen US-Satire „The Menu“ jede seiner Gourmet-Kreationen mit einem donnernden Händeklatschen an, auch wenn sie noch so absurd sind. Gereicht werden kunstvoll drapierte Stränge Seetang, Meeresschaum, der als Delikatesse „auf der Zunge zergehen“ soll, ein „brotloser Brotteller“ – sowie immer schockierendere, mörderische Überraschungsgänge. Schon bald wird klar: Wer es bis zum Dessert schafft, darf sich glücklich schätzen.

Der britische Regisseur Mark Mylod („Succession“) hat mit „The Menu“ eine Art filmische Fusionsküche aus Satire, Thriller und Horror kreiert, die langsam zu einem beißenden Kommentar auf Klassenunterschiede hochkocht. Der Film mit Nicholas Hoult und Anya Taylor-Joy in den Hauptrollen kommt am 17. November in die deutschen Kinos.

Mylod gelingt dabei eine scharfe wie eiskalte Gesellschaftskritik, die das überkandidelte Gehabe von Superreichen und Angebern ebenso zerlegt wie eine prätentiöse Haute Cuisine. Immerhin bezahlt die Feinschmecker-Riege in „The Menu“ ohne mit der Wimper zu zucken 1250 Dollar pro Person für Slowiks theatralisch zubereitetes Menü. Diniert wird dabei im exklusiven Restaurant The Hawthorne, das sich auf einer abgelegenen Insel befindet.

Illustre Gesellschaft

Die zwölf Gäste, darunter eine Restaurantkritikerin (Janet McTeer), ihr rückgratloser Redakteur (Paul Adelstein), ein unbedeutender Filmstar (John Leguizamo), seine Assistentin (Aimee Carrero) sowie ein Trio neureicher Tech-Aufsteiger (Arturo Castro, Mark St. Cyr und Rob Yang) werden exklusiv per Jacht auf die Insel gebracht.

Maître d' Elsa (eine brillant stoische Hong Chau) führt die Gruppe über das Anwesen. Dass das Küchenpersonal in kasernenartigen Unterkünften auf Feldbetten schläft, fällt dabei nur Margo (Taylor-Joy) auf, die als Last-Minute-Date mit dem betuchten Food-Fan Tyler (Hault) angereist ist. Während Tyler vom „Mundgefühl“ der Gerichte schwärmt und jeden noch so kleinen Happen fotografiert, erkennt die weder reiche noch Gourmet-versierte Außenseiterin als einzige, dass hier etwas nicht stimmt.

Hawthornes Küche gleicht einem Militärregiment: Fiennes meisterhaft psychopathischer Slowik herrscht wie ein Diktator im Küchenchefgewand mit stählernem Blick und choreographiertem Klatschen. Die Angestellten marschieren im Einheitsschritt das Essen an die Tische und sprechen nur, wenn sie angesprochen werden. Das Restaurant, ein Betonkasten mit Glasfront und offener Küche, wird von einer brutalistischen Ästhetik aus Stahl dominiert. Nichts ist gemütlich oder entspannt, stattdessen liegt etwas Unheimliches in der Luft. Doch außer Margo starren alle nur auf Slowik und dessen Kreationen.

Slowik wiederum betrachtet den ungeplanten Gast mit Misstrauen: Der Chefkoch kennt keines von Margos Geheimnissen. Denn spätestens als personalisierte Tortillas mit Informationen aus der Vergangenheit serviert werden, erkennen auch die elf anderen Gäste, dass sie in ein böses Katz-und-Maus-Spiel verwickelt sind: Slowik scheint das Menü auf den persönlichen Fehlern seiner Gäste aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt köchelt das Unheil aber natürlich schon unaufhaltsam dem Siedepunkt entgegen. Angst, Mord, Rache und Erniedrigung sind im prix fixe inbegriffen.

Was folgt, ist eine Melange aus schwarzem Humor und aufpeitschenden Schreckmomenten, während Horror und Grauen so theatralisch pointiert eingestreut werden wie vorher die Soßenkleckse auf den Tellern. „The Menu“ lebt nicht von blutigen Szenen, sondern vom Makabren, oft Überdrehtem, an dem die Drehbuchautoren Seth Reiss und Will Tracy spürbar Spaß hatten. Sound und Musik von Colin Stetson werden dabei zum wichtigen Element: Jedes zersplitterte Glas, jedes Messerkratzen, Kreischen oder Klirren ist wie eine punktgenaue Komposition.

Ähnlich wie in Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ entlädt sich die Persiflage auf die Egozentrik der Ein-Prozent letztendlich in einem perfiden Klassenkampf, bei dem unbekannte Regeln gelten. „The Menu“ fehlt dabei zwar die Tiefe von Östlunds bitterböser Tirade, schauspielerisch machen aber vor allem Fiennes, Hoult, Taylor-Joy und Chau die Horror-Satire zum unterhaltsam-düsteren Gourmet-Fest.