Berlin. “Encanto“ entführt in die kolumbianischen Berge. Der Film hat viel psychologischen Witz - und vor Weihnachten eine Botschaft, die man beim nächsten Familientreffen durchaus gebrauchen kann.

In Familien passiert das relativ häufig. Mit der Zeit bekommt jeder eine bestimmte Rolle zugewiesen. Einer ist dann fürs Witzemachen zuständig, jemand anderes fürs Ordnunghalten - und einer, nun ja, bekommt die Außenseiterposition.

Darum geht es auch im neuen Animationsfilm "Encanto" des Hollywoodstudios Disney. Mitten in den Bergen Kolumbiens lebt eine magische Familie und jedes Mitglied hat eine besondere Gabe. Nur Mirabel nicht. Der Lockenkopf ist die Hauptfigur des neuen Films.

Während andere Verwandte beispielsweise Blumen erschaffen oder Verletzungen heilen können, ist Mirabel bei einer magischen Zeremonie leer ausgegangen. Ihre Großmutter scheint das zu beunruhigen. Droht der Familie der Verlust der Magie?

Der Film von den Regisseuren Jared Bush und Byron Howard ("Zoomania") ist nicht nur optisch schön anzusehen - allein dieses Dorf, mit pinken Blumen, die aussehen wie Bougainvillea. Sondern er erzählt in rund anderthalb Stunden auch eine Geschichte über Flucht und Gewalt, über Existenzängste und den Neustart einer Familie.

Mirabels Großmutter hat einmal selbst ganz neu anfangen müssen. Weil ihr Dorf angegriffen wurde, musste sie mit ihrem Mann und ihren Kindern fliehen. In einer schweren Stunde erschien ihr damals eine magische Kerze - sie ließ nicht nur ein neues Dorf entstehen, sondern stattete die Familie auch mit magischen Talenten aus. Doch nun droht die Flamme für immer zu erlöschen und die Talente schwinden. In "Encanto" tauchen damit viele Fragen auf. Was zum Beispiel ist man noch wert, wenn man nicht so stark, besonders oder schön ist?

Natürlich ist es schließlich Mirabel, auf die mit der Bedrohung der Familie eine große Aufgabe zukommt. Sie will das Rätsel um die verschwindende Magie lösen und sucht nach einem verschollenen Onkel, der manchen als unheimlich und gefährlich gilt. Die Szenen mit ihm gehören zu den wohl rührendsten des Films.

"Encanto" zeigt viele liebevolle Animationen. Das magische Haus der Madrigals beispielsweise besitzt ein Eigenleben. Die Musik wiederum stammt vom US-Künstler Lin-Manuel Miranda ("Vaiana", "Hamilton"). Auch im Animationsfilm "Vaiana" ging es um eine junge Frau, die ihren eigenen Weg findet. In beiden Werken wird viel gesungen.

Die Geschichte im neuen Film ist vergleichsweise simpel, aber dafür sehr einfühlsam erzählt. Die Gefühle und Gedanken, die angesprochen werden, dürften vielen Menschen bekannt vorkommen. Der Film kommt genau einen Monat vor Weihnachten ins Kino und führt einem eine Botschaft vor Augen, die gerade vor Weihnachten gut passt: Der Film ist ein Plädoyer dafür, jeden in seiner Einzigartigkeit anzuerkennen. Jeder ist wertvoll und soll die Freiheit haben, er oder sie selbst zu sein. Vielleicht ist "Encanto" damit einer der schönsten Disney-Filme.

Encanto , USA 2021, 103 Min., FSK ab 0, von Jared Bush und Byron Howard

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