Berlin. Die Regie von Fellini, die Musik von Nino Rota, die pralle Lebensfreude, der große Überdruss: “Das süße Leben“ gehört noch immer zu den großen Filmklassikern.

Eine laszive Anita Ekberg im Trevi-Brunnen. Eine Jesusfigur, die mit ausgebreiteten Armen über die Ewige Stadt schwebt. Zwei magische, zwei unwiderstehliche Kinomomente, die ihren Platz haben in der Filmhistorie.

Zwei Szenen eines Films, der vor 60 Jahren - am 19. April 1961 - in die US-Kinos kam: "La Dolce Vita", "Das süße Leben", von Meisterregisseur Federico Fellini ("La Strada"). Der schwebende Jesus, er hängt an einem Hubschrauber, in dem ein junger Marcello Mastroianni sitzt: lässig und cool und irgendwie auch melancholisch - so wie der ganze, bald drei Stunden lange Film, der auf die unvergessliche Eingangssequenz folgt.

Mastroianni gibt einen Reporter, der in Roms High Society alle kennt, all die Orte, an denen sich die Reichen und Schönen dem Nichtstun hingeben. "Was, Sie arbeiten?", heißt es einmal, als sei das die denkbar unwahrscheinlichste Art, sein Leben zu leben. Das "süße Leben" ist voll mit interessanten, mit verführerischen Frauen, die Italienisch, Französisch, mal auch Deutsch (zu hören in der italienischen Originalversion!) sprechen, die sich so ausgesucht kleiden, wie man es kaum noch kennt aus dem Kino unserer Gegenwart.

Die große Story sucht man indes vergebens; dafür geht es um Pizza und Pasta, um Publicity und Paparazzi. Auf Letztere wirft Fellini einen so famosen wie entlarvenden Blick: Wie Ameisen wimmeln sie übers Rollfeld, hin zu dem Flieger, dem eine Göttin mit blonden Haaren entsteigt: Anita Ekberg (1931-2015) als US-Schauspielerin Sylvia. "Nimm die Brille ab!", brüllen die Klatschreporter.

"La Dolce Vita", dieser irre, dieser verführerische, dieser nicht nur für italophile Kinofans so verlockende, 1960 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete Film, schmeckt wie ein köstlicher, ein schäumend heißer, ein herrlich süßer Cappuccino.

Ein Cappuccino indes, auf dessen Tassengrund sich sukzessive ein bitterer Kaffeesatz aus Melancholie, Angst und Armut ablagert - ein Vater nimmt sich das Leben, eine Mutter trauert um ihr Kind, verzweifelte Kranke, die auf eine Madonnenerscheinung warten.

60 Jahre hat "Das süße Leben" auf dem Buckel; handelt es sich um einen alten Schinken? Im Gegenteil. Bis in die Jetztzeit wirkt das Werk von Fellini - ein Regisseur (1993 gestorben), über den Steven Spielberg gesagt haben soll: "In unserer Populärkultur ist viel von Fellini lebendig, und wenn wir es zulassen, auch in jedem von uns selbst". Filme wie "La Grande Bellezza" (2013) etwa wären undenkbar ohne "La Dolce Vita".

Das süße Leben, es wird nie enden, dafür macht es viel zu viel Spaß, Marcello Mastroianni dabei zuzusehen, wie er sich durch die römische Nacht treiben lässt, um sich lässig eine Zigarette nach der anderen in den Mundwinkel zu schieben.

© dpa-infocom, dpa:210413-99-182787/4