Rehm. Sie ist ein Gesicht des Neuen Deutschen Films, Fassbinders Film “Martha“ hat sie berühmt gemacht. Aber auch in komischen Rollen kann Schauspielerin Margit Carstensen ihr Publikum überzeugen.

Ihren letzten Auftritt im Fernsehen hatte Margit Carstensen im Dezember 2016 im "Tatort - Wofür es sich zu leben lohnt". Es war der Abschied von Eva Mattes als Kommissarin Klara Blum vom Bodensee.

Und als Abschiedsgeschenk kamen noch mal die vier großen Fassbinder-Musen zusammen: neben Eva Mattes und Margit Carstensen noch Irm Hermann und Hanna Schygulla, die ein kurioses Trio alter Damen spielten, die aus moralisch-ethischen Gründen zu Mörderinnen werden. "Es war schön, die anderen nach so langer Zeit wiederzusehen", sagt Margit Carstensen im dpa-Interview zu ihrem 80. Geburtstag, den die Schauspielerin am 29. Februar feiert.

Seit vielen Jahren lebt Margit Carstensen zurückgezogen in einem kleinen Dorf in der Nähe von Heide (Schleswig-Holstein). "Nach sechs Jahren auf Mallorca habe ich mich nach den trüben Tagen in meiner norddeutschen Heimat zurückgesehnt", sagt die zierliche Frau, deren blaue Augen immer noch strahlen. Nachdem ihr Ehemann gestorben ist, lebt sie hier allein mit ihrem Mops.

An ihrem Geburtstag werden ihre Freunde zum Kaffeetrinken vorbeikommen. "Die Zahl 80 ist für mich völlig irreal. Ich sehe mich nicht so, aber die anderen sehen mich so", sagt sie. Gerne würde sie wieder arbeiten, aber ihre angeschlagene Gesundheit lasse das im Moment nicht zu.

Aufgewachsen ist Margit Carstensen in Kiel. Schon als Kind habe sie Musik und Gedichte geliebt, sei jedoch sehr introvertiert gewesen. "Ich habe innerlich geglüht, aber nichts nach außen gelassen", sagt sie. Als ein Freund ihres Vaters sie fragte, ob sie Schauspielerin werden wolle, sei sie "explodiert vor Glück", und auf der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg "hat sich mir die Welt erschlossen, und ich musste mich selber aufschließen".

Nach Stationen an verschiedenen Theatern gehörte Carstensen von 1965 bis 1969 zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses, 1969 wechselte sie nach Bremen, wo sie den charismatischen Theaterautor und Filmemacher Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) kennenlernte.

"Fassbinder war ein großer Poet, Dichter und Visionär - mit einer unglaublichen Ausstrahlung und wahnsinniger Kraft", sagt die Schauspielerin. Bekannt machte sie ihre Hauptrolle in dem Fassbinder-Film "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" (1972), für die sie das Filmband in Gold erhielt, und die eindrucksvolle Verkörperung der gedemütigten Ehefrau in "Martha" (1974) an der Seite von Karlheinz Böhm als krankhaft herrschsüchtiger Mann. Auch in anderen Filmen spielte Carstensen oft masochistische Frauen, die in Machtspielen und Hysterie gefangen waren. Zu ihr sei Fassbinder immer "ein weicher, liebenswerter Mensch" gewesen. "Ich hatte großes Glück, dass er Lust hatte, das mit mir umzusetzen", sagt sie.

Bei der Verleihung des Götz-George-Preises für ihr Lebenswerk 2019 würdigte die Jury sie als "Ausnahmeerscheinung in der deutschen Theater- und Filmlandschaft, einzigartig in ihrem intensiven, bedingungslosen Spiel, ihrer grenzüberschreitenden Darstellung und in ihrer Konzentration, die das Publikum zum Zuhören zwingt und ausnahmslos in ihren Bann zieht".

Eine jahrelange künstlerische Zusammenarbeit verband sie auch mit Christoph Schlingensief (1960-2010), in dessen Film "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker" (1989) sie Magda Goebbels verkörperte und in dessen Medien-Persiflage "Terror 2000" (1992) sie eine Detektivin spielte. "Wir konnten das spielen, wie wir wollten, das hat Spaß gemacht", erzählt sie rückblickend. Unter der Regie von Leander Haußmann konnte Carstensen auch ihre komische Seite zeigen, etwa in seiner Verfilmung der Ex-DDR-Komödie "Sonnenallee" (1999) als verkniffene Schuldirektorin.