Der herausragende Film erzählt eine außergewöhnliche Tragödie zwischen Liebe und Verlust, er scheut auch nicht die grundlegenden Fragen des Lebens.

Die Funken sprühen nur so! Als sich der verträumt-zauselige Cowboy-Musiker Didier (Johan Heldenbergh) und die elfenhafte, ganzkörpertätowierte Elise (Veerle Baetens) zum ersten Mal begegnen, landet dieses Liebe-auf-den-ersten-Blick-Ding in seiner ganzen Wucht in der Magengrube des Zuschauers. Diese Emotionalität, die Felix Van Groeningens grandioses Drama „The Broken Circle“ wie ein Attentat auf sein Publikum niederprasseln lässt, soll bis in die letzte Sekunde anhalten, nur der Grundton wechselt radikal.

Van Groeningen verhandelt in seinem vierten Kinofilm, der bei der diesjährigen Berlinale den „Panorama“-Publikumspreis gewann, hemmungslos große Gefühle, Schicksalsgewalten wie Liebe, Tod und Kapitulation. Entziehen funktioniert nicht – Gefühlsmasche hin oder her – denn, ganz abgesehen von den brillanten Darstellern Veerle Baetens und Johan Heldenbergh, spielt „The Broken Circle“ auf einer existenziellen Klaviatur, die jeden betrifft.

Dazu benutzt Van Groeningen Musik als Konzentrat wie auch als Bindeglied seiner Dramaturgie. Bei ihrer ersten Begegnung im Tattoo-Studio von Elise im flämischen Gent lädt Didier sie zu einem Konzert seiner Bluegrass Band ein. Als sie ihn auf der Bühne als Banjospieler und Sänger erlebt, ist die Verbindung – noch vor der ersten gemeinsamen Nacht – besiegelt.

Auf die erste Verliebtheit – wunderschöne, leuchtend bunte Schmetterlingstattoos zieren emblematisch Elises Rücken – folgt die erste Irritation. Elise ist ungewollt schwanger, der sensible Didier reagiert verstört, „Ich will nicht über das Leben anderer bestimmen“, ist seine ebenso spontane wie hilflose Reaktion. Doch schon im nächsten Moment schnappt er sich den Vorschlaghammer, um sein baufälliges Haus auf dem Land kindgerecht herzurichten.

Sechs glückliche Jahre sollen ihnen noch vergönnt sein, bevor die Leukämie-Diagnose ihrer kleinen Tochter Maybelle (Nell Cattrysse) die Familie in den Abgrund stürzt. Die Trauer um ihre Tochter zerstört schließlich den titelgebenden Kreis (des Lebens).

Van Groeningen lässt seine nicht-linear aufgebaute Handlung im Umgang mit dem Verlust kulminieren. Weiterleben oder aufgeben. Glauben oder Nicht-Glauben. Eine Frage der seelischen Konstitution.

„The Broken Circle“ entfaltet eine ungeheure Sogwirkung in seiner Radikalität, seinem Pessimismus und seiner Ehrlichkeit. Am Ende lässt der Regisseur seine Figuren auseinanderdriften und scheitern. Hoffnung aber ist Gemeinschaft und Glauben.

Bewertung: überragend

„The Broken Circle“ B/NL 2012, 110 Min., ab 12 J., R: Felix Van Groeningen, D: Veerle Baetens, Johan Heldenbergh, Nell Cattrysse, täglich im 3001,Abaton, Zeise; http://brokencircle.pandorafilm.de