Das überragende Drama erzählt von Anders, einer gescheiterten Existenz, die nach dem Drogenentzug von Leere geplagt wird, vom Bewusstsein eines verpfuschten Lebens.

Für einen einzigen Tag verlässt der einstige Journalist Anders seine gewohnte Umgebung, eine Entzugsklinik. Das Vorstellungsgespräch, für das er nach Oslo fährt, könnte einen Neuanfang markieren, den Blick nach vorne zu richten, auf die Zeit danach. Das Magazin, bei dem er sich bewirbt, hat er jedenfalls gründlich studiert und ist in der Lage, eine pointierte Meinung dazu zu äußern. Die Lücke in seinem Lebenslauf provoziert eine Frage seines Gegenübers, die einstige Drogensucht scheint allerdings nicht unbedingt ein Problem zu sein. Doch da hat Anders schon das Interesse verloren, verlangt seine Unterlagen zurück und wirft diese auf der Straße in den nächsten Papierkorb.

Anders mag clean sein, aber er ist auch leer, antriebslos. Besonders deutlich wird das gegen Ende des Films "Oslo, 31. August". Eine junge Frau hat ihn auf dem Gepäckträger ihres Fahrrades in ein Freibad mitgenommen, doch während sie und die anderen in das Schwimmbecken hineinspringen, schlägt Anders ihr einladendes Lächeln aus und bleibt mit angezogenen Beinen am Rand sitzen. Spätestens da begreift der Zuschauer, dass der düstere Auftakt des Films sich nicht in sein Gegenteil verkehren wird.

Anders' Ausflüge in die Vergangenheit haben sich als Sackgassen erwiesen, auch der Besuch bei seinem einst besten Freund Thomas. Der erscheint jetzt als glücklich verheirateter Familienvater, doch bei der Fortsetzung ihres Gespräches auf einer Parkbank offenbart er seine Unzufriedenheit, die Entfremdung von seiner Frau. Mit 34 Jahren sei es für ihn zu spät, um noch einmal bei Null anzufangen, sagt Anders einmal, so bleibt am Ende nur eine Lösung.

Regisseur Joachim Trier, der 2006 mit "Auf Anfang [: reprise]" debütierte, ist zwar ein Cousin des Dänen Lars von Trier, aber dieser Film hat nichts von dessen gewollt spektakulären (Selbst-) Inszenierungen, ist vielmehr dokumentarisch-nüchtern. Bestechend in seiner Kargheit ist Trier und seinem Hauptdarsteller Anders Danielsen Lie eine bemerkenswertes Stück Kino gelungen, übrigens eine freie Adaption von Drieu la Rochelles 1931 erschienenen Roman "Das Irrlicht", den Louis Malle 1963 unter dem Originaltitel verfilmte.

Bewertung: überragend

"Oslo, 31. August" Norwegen 2011, 94 Min., o. A., R: Joachim Trier; D: Anders Danielsen Lie, Anders Borchgrevink, Andreas Braaten, Hans Olav Brenner, Malin Crepin, Petter Width Kristiansen, täglich im 3001; www.peripherfilm.de