Die in Hamburg von Marc Rothemund gedrehte Bestsellerverfilmung um eine junge Frau, die an Krebs erkrankt, verzichtet auf Pathos und Rührseligkeit.

Das Leichte im Schweren zu finden - das ist eine große Kunst. Im Leben ohnehin. Aber auch in der Literatur, in der Musik, im Kino. Wenn es gelingt, fängt das Werk an zu tanzen und selbst die abgeklärtesten Emotionsverächter und Tränenkostverweigerer strecken die Waffen und liefern sich der Geschichte aus. So auch hier.

"Heute bin ich blond" basiert auf dem autobiografischen Bestseller von Sophie van der Stap. Unsentimental und mit rotziger Ehrlichkeit erzählt die Niederländerin aus ihrem Leben seit der Krebsdiagnose, die sie vor Beginn des Studiums ereilt hat. Chemotherapie statt postmodernes schwedisches Theater. Krankenhaus statt Wodka Red Bull und Tanzfläche. Eine Ahnung von Tod statt die unbeschwerteste aller Zeiten, die das Leben zu vergeben hat. Kann irgendetwas absurder, unwirklicher sein als ein solches Schicksal?

Der Regisseur Marc Rothemund ("Sophie Scholl") hat das in 17 Sprachen übersetzte Buch für die Leinwand adaptiert. Er hat die Handlung nach Hamburg verlegt, größtenteils auf die Krankenhausflure des UKE. Was den Film von Beginn an auszeichnet, ist eine Direktheit, mitunter sogar Ruppigkeit, die sich der Tragik des Themas mit aller Wucht entgegenwirft. "In drei Wochen werden dir die Haare ausfallen. Bitte nicht ins Klo schmeißen, das verstopft sonst", sagt die Stationsschwester zu Sophie, als hätte sie ihr gerade die Gebrauchsanweisung für einen Automatenkaffee aufs Auge gedrückt.

Das aus Itzehoe stammende Model Lisa Tomaschewsky wirkt in ihrer ersten Kinohauptrolle nicht etwa wie eine schwärmende Austauschschülerin, im Gegenteil. Erstaunlich gelassen spielt sie die schwierige Rolle, kann mit Schauspielern wie Alice Dwyer (als Sophies Schwester) und Karoline Teska (als beste Freundin) mithalten. Sophie legt sich nach der Chemotherapie einen Haufen Perücken zu - nachdem sie das Krankenhausmodell Marke Topffrisur in den nächsten Mülleimer entsorgt hat ("Ich seh aus wie von Playmobil"). Sie trägt fuchsrot, beachblond, bravbraun, je nach Stimmung und Gegenüber.

"Heute bin ich blond" ist sicherlich kein perfekter Kinofilm. Dazu ist die Bildsprache - trotz hübscher Hamburg-Aufnahmen - zu konventionell, das Drehbuch klingt an manchen Stellen zu sehr nach Drehbuchseminar. Trotzdem ist Rothemund eine sehenswerte Verfilmung geglückt, die viel darüber erzählt, wie hierzulande auf Leinwand und Bildschirm mit Krankheit umgegangen wird. Nämlich entweder krampfig (in öffentlich-rechtlichen Rührstücken) oder als Alibiveranstaltung (Film sucht Tiefgang). Und bitte nicht zu unappetitlich, sonst schaltet der Zuschauer womöglich ab.

Man muss es "Heute bin ich blond" hoch anrechnen, dass der Film auf Floskelsätze und abgefilmte Lebenshilfetipps aus der "Apotheken Umschau" verzichtet. Stattdessen konzentriert er sich aufs Familiengefüge, das durch die Krebsdiagnose aus dem Takt gerät, aber unverändert Halt bietet. Sophies Schwester etwa schleppt täglich selbst gekochte Minestrone in Tupperdosen ans Krankenbett. Banal, aber das Leben fühlt sich gleich ein bisschen weniger scheußlich an. Auch wenn Sophie hinterher alles in die Kloschüssel kippt.

Bewertung: annehmbar

"Heute bin ich blond " D/Belgien 2013, 116 Min., ab 6 J, R: Marc Rothemund, D: Lisa Tomaschewsky, Karoline Teska, David Rott, täglich im Cinemaxx Dammtor, Koralle, UCI Mundsburg/Othmarschen; Internet: www.heute-bin-ich-blond.de