In einer sehenswerten Reihe beschäftigt sich das Filmfest mit Religiosität: Ist Religion Opium fürs Volk? Kann der Glaube Berge versetzen?

Hamburg. Religion, Spiritualität, Glaube, Kirche: Es ist eine verwirrende Begriffsvielfalt, die Einzug hält, wenn es um die Sehnsucht des Menschen nach letzten Wahrheiten geht. Ist Religion Opium fürs Volk? Kann der Glaube Berge versetzen? Oder glauben nur die, die sonst nichts haben? Und was hat es mit pervertierter Religiosität, mit menschenverachtendem Fanatismus etwa, auf sich? Fragen, die auch die Programmplaner des Filmfests Hamburg beschäftigt haben und die in eine Reihe mit Filmen zum Thema "Glaube" gemündet sind.

Dabei nimmt der Aspekt des Fanatismus, der aktuellen Weltlage geschuldet, besonders großen Raum ein. Etwa in "God's Neighbors" (2.10., 14 Uhr + 3.10., 17 Uhr im Cinemaxx) von Meni Yaesh. Sein Drama erzählt von jungen Männern, die in der Tel Aviver Vorstadt Bat Yam die Einhaltung orthodoxer Regeln überwachen und notfalls mit Gewalt durchsetzen. Dabei werden für die Fundamentalisten, die ihre Botschaften gern massenkompatibel mit Technobeats unterlegen, freizügig gekleidete Frauen ebenso zur Zielscheibe wie Ladenbesitzer, die den Sabbat nicht ehren. Noch radikaler geht es in Nabil Ayouchs "Pferde Gottes" (4.10., 21 Uhr, Passage + 6.10., 22.30, Cinemaxx) zu. Ein Film, der zeigt, wie leicht Armut und Perspektivlosigkeit junge Menschen so anfällig für radikales Gedankengut machen können, dass sie schließlich bereit sind, als Märtyrer in den Heiligen Krieg zu ziehen und sich selbst in die Luft zu sprengen. Den Hintermännern, das ist offensichtlich, geht es dabei nicht um religiöse Werte, sondern um Macht, aber für die verhetzte Masse, die wie die titelgebenden Pferde von einem Brennpunkt zum nächsten getrieben wird, ist das nicht erkennbar.

Ein weiteres düsteres Kapitel berührt "Beyond The Hills" (6.10., 21.15 Uhr, Metropolis) des rumänischen Regie-Stars Cristian Mungiu, dessen "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" 2007 in Cannes die Goldene Palme gewann. Hier verzweifelt eine junge Frau daran, dass ihre beste Freundin ins Kloster gegangen ist. Sie wird wütend, sie randaliert und gilt den Nonnen fortan als Besessene. Als eine, die durch exorzistische Riten geheilt werden muss - mit fatalen Folgen.

Ob Christentum oder Islam: Nicht die heilsame Wirkung, nicht die Sinnstiftung ist in diesen Filmen Thema, sondern der gähnende Abgrund. Die Gewalt, gegen sich oder andere, die Angst und Unsicherheit, die immer mehr die allen Religionen immanente Botschaft von Liebe und Mitgefühl überlagert. Und so ist es an einem kleinen Dokumentarfilm aus den Niederlanden hier für einen Gegenpol zu sorgen, mit Bildern von großer Ruhe und Poesie dem globalen Fanatismus etwas entgegenzusetzen.

"Wavumba" (3.10., 19 Uhr, Abaton + 5.10., 19.30, Abaton) heißt dieser Film, gedreht hat ihn Jeroen van Velzen, der einen 70 Jahre alten Haifischjäger in Kenia auf seiner letzten Ausfahrt begleitete. Hart gearbeitet hat dieser Mann Zeit seines Lebens, aber die Mühsal war erträglich für ihn, weil er sich stets mit der gesamten Schöpfung verbunden fühlte. Die Mythen seines Volkes haben ihn durch dieses Leben getragen und werden auch sein nahendes Ende begleiten. Da ist keine Angst und keine Wut, sondern ein tief berührendes Aufgehen im Hier und Jetzt. Dass so jemand andere zu seiner Art des Glaubens zwingen könnte: kaum denkbar. Ein Hoffnung spendendes Element in einer Filmreihe, die am 3.10. (19 Uhr, Festivalzelt vor dem Abaton) von einer Podiumsdiskussion zum Thema "Glaube im Film - Spiegel oder Herausforderung" ergänzt wird.

Karten und alle weiteren Informationen unter: www.filmfesthamburg.de