Schauspieler Christian Ulmen über die Komödie “Wer's glaubt, wird selig“, seinen Job bei Karstadt und warum er immer fünf Minuten zu spät kam.

Berlin-Charlottenburg, Nürnberger Straße 16, erster Stock. Hier befindet sich seit drei Jahren die Zentrale von Ulmen Television. Parkett, Stuck, weiße und petrolfarbene Wände. Auftritt Christian Ulmen. Mit Hut, den der Schauspieler aber sogleich schwungvoll mit den Worten ablegt, die Kopfbedeckung diene rein praktischen Zwecken: "Wenn das Haar strubbelig ist - Hut auf!"

Hamburger Abendblatt: Sie haben jetzt zum ersten Mal mit Bayerns Kultregisseur Marcus Rosenmüller gedreht, und das Ergebnis - die schwarze Komödie "Wer's glaubt, wird selig" - lässt vermuten, dass Sie dabei eine Menge Spaß hatten, stimmt das?

Christian Ulmen: Ja, der Rosenmüller hat einfach die Gabe, einen Film organisch wachsen zu lassen. Er pflanzt einen Samen, das Drehbuch, dann wird gedüngt, mit Schauspielerideen oder mit einer Requisite, und dann lässt er seinen Film entstehen. Er macht einen sehr konzentrierten Job, aber wenn er merkt, dass da gerade was Neues wächst, lässt er sich völlig darauf ein.

Das klingt so, als wäre Rosenmüller eine Ausnahme?

Ulmen: Ja, dieser Mut zur Flexibilität ist selten. Viele Regisseure haben ganz klare Vorstellungen, wie alles sein muss. Jeden Winkel, in dem eine Tasse zu einer Kaffeekanne steht, haben sie vorher schon im Kopf, und der muss dann auch genau so sein, und der Schauspieler wird auch ganz exakt instruiert: "Bitte beim zweiten Satz den Arm noch einmal heben!"

Das ist nicht Ihr Ding ...

Ulmen: Nee. Ich prob auch nicht so gern. In einem solchen Raum wie diesem ( Ulmen schaut sich in dem Parkett-Stuck-Ambiente um ) hätte ich zum Beispiel keine Lust, eine Bar-Szene oder eine Kirchen-Szene zu spielen. Dafür fehlen mir die Whiskeygläser oder die Kirchenfenster. Für mich entsteht der Film am Set, weil da eine völlig andere Energie drin ist als in einem Proberaum.

Im Gegensatz zum Theater?

Ulmen: Ich denke schon. Beim Theater lässt sich das ja trocken üben, am Filmset kommt eben die Kamera hinzu und verändert die Situation, kreiert den Augenblick, den es festzuhalten gilt. Wenn man diesen Augenblick schon in der Probe erschaffen hat, kann es passieren, dass man ihn am Set nur noch kopiert. Ich hebe mir diesen Augenblick gern für den Dreh auf und gebe selten Vollgas bei einer Probe.

Sind die Kollegen da nicht frustriert? Nach dem Motto: Der Ulmen tut ja gar nichts, der steht da nur rum?

Ulmen: So schlimm ist es auch nicht! ( Pause ) Aber fast so schlimm. Ich sehe den Filmen, die ich gemacht habe, jede Szene an, die ich zu oft geprobt habe, und manchmal fällt mir auch auf, dass das Publikum eine frisch am Set entstandene Szene als wahrhaftiger wahrnimmt. Rosenmüller ist jemand, der diese Momente beim Dreh provoziert.

Wo haben Sie gedreht?

Ulmen: In Bayrischzell. Der kleine Ort hieß Kastl.

Und, waren die Kastler begeistert?

Ulmen: Also, die meisten, hatte ich den Eindruck, fanden es super, dass da was passierte. Mit Ausnahmen. In der Bäckerei fand man das natürlich nicht so toll, wenn der Umsatz dreimal die Woche runtergebrochen ist und alle zum Brötchenkaufen in den Nachbarort gefahren sind, weil sie nicht ständig durchs Filmset laufen wollten, aber die sind dann auch entschädigt worden.

Ein Kino bewirbt den Film mit dem Slogan "Der neue Knüller von Rosenmüller". ( Ulmen muss lachen ) Was war das Beste beim Drehen?

Ulmen: Den Rosenmüller anzugucken. Im Grunde war es für mich auch wie eine Vorstellung. Eine 30 Tage andauernde Marcus-Rosenmüller-Vorstellung. Ich finde, dass er der Jürgen Klopp des deutschen Films ist. Er hasst diesen Vergleich! Das verstehe ich auch. Das ist ja ein Lob, mit dem man ihm eigentlich 'ne Freude macht, aber dann wieder doch nicht, weil er Bayern-Fan ist. Aber wer will schon mit Jupp Heynckes verglichen werden? Rosenmüller schafft es sogar, wenn er nachts bis fünf Uhr morgens gesoffen hat, um sieben wieder am Set zu stehen und so zu tun, als wäre er der wachste Mensch der Welt. Ansonsten ist Filmen ein wahnsinnig anstrengender Job.

Aber der ist dann ja auch schnell erledigt ...

Ulmen: Na ja, alles in allem hat's schon zwei Monate gedauert. Und dann war's auch fernab im tiefsten Bayern. Da merke ich dann immer, wie stadtverseucht ich bin. Ich kann nicht mehr ohne Handynetz, ich kann nicht ohne E-Mails.

Sie wirken gar nicht so besonders hochtourig.

Ulmen: Bin ich auch nicht. Ich hätte nur gern die Möglichkeit, dass um mich herum was passiert.

Würden Sie sagen, dass Sie einer sind, der viel arbeitet?

Ulmen: Eigentlich arbeite ich gar nicht. Das hier habe ich nie als Arbeit empfunden. In der Schulzeit hab ich die Stunden abgesessen und gewartet, dass es endlich klingelt und ich nach Hause konnte und mit Kumpels zusammen irgendwelche Fernsehbeiträge machen. Nach dem Abitur habe ich gedacht: "Jetzt kann ich mir echt mal 'n bisschen Ruhe gönnen, jetzt guck ich mal 'n Jahr, mal wieder 'n bisschen was für den Offenen Kanal machen, fürs Radio ..." Aber meine Eltern haben unglaublich rumgenervt. Was denn jetzt is', was ich denn mach ...

Und?

Ulmen: Dann habe ich mich an der Uni für Theologie eingeschrieben, um die ruhigzustellen. Ich war zu dem Zeitpunkt zwar schon bei RTL, wo ich diese Disney-Sendung moderierte, aber das Geld, das ich da verdiente, hab ich sofort auf den Kopf gehauen. Und deswegen haben sich meine Eltern, glaube ich, Sorgen gemacht, und so musste ich dann in den Schuhladen.

In den Schuhladen ...

Ulmen: Ja, bei Karstadt Spiel und Sport. Da habe ich Schuhe verkaufen müssen.

Sie sind also eine Art Sportschuhspezialist.

Ulmen: Überhaupt nicht. Ich bin ja nach zwei Monaten rausgeschmissen worden, weil ich immer zu spät kam. Pünktlich zu spät! Ich war immer genau um fünf nach halb da.

Das war Provokation?

Ulmen: Nee, das habe ich wirklich nicht mit Absicht gemacht, das ist mir so passiert. Und das ist mir auch gar nicht bewusst gewesen, bis die mir das beim Rausschmiss gesagt haben! Also, das ist für mich Arbeit: Immer auf den Feierabend warten, mit dem Kopf woanders sein. Das, was ich machen darf, empfinde ich nicht als Arbeit. Insofern habe ich irrsinniges Glück gehabt.

Das konnten Ihre Eltern ja nicht ahnen. Die wollten Sie im Schuhladen vermutlich in Sicherheit sehen. Was macht übrigens Ihr Vater?

Ulmen: Der ist Stadtplaner, Baudirektor.

Und da hat er Sie in die Karstadt-Schuhabteilung gestopft? Tolle Idee!

Ulmen: Ja, da können Sie ihn gerne mal fragen, was er sich dabei gedacht hat!