Roman Polanski hat ein Theaterstück von Yasmina Reza im Stil eines Kammerspiels verfilmt. Wie war das für Sie, Christoph Waltz?

Venedig. Egal, wo man Christoph Waltz dieser Tage sieht - das verschmitzte Grinsen scheint einfach nicht aus seinem Gesicht zu verschwinden. Gründe dafür hat der 55-jährige Schauspieler genug: Nach seinem Oscar für "Inglourious Basterds" ist der Deutsch-Österreicher von Hollywood mit offenen Armen empfangen worden. Bei dem Filmfestival in Venedig war das nicht zu übersehen: Da wurde er abends im Hotel herzlichst von George Clooney umarmt. Waltz gehört dem hochklassigen Ensemble an, das sich Regisseur Roman Polanski für die Verfilmung des Theaterstücks "Der Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza ausgesucht hat - mit Kate Winslet, John C. Reilly und Jodie Foster. Es geht um zwei Ehepaare, die sich erstmals treffen, nachdem sich die etwa zehnjährigen Söhne auf dem Spielplatz geprügelt haben.

Hamburger Abendblatt: Herr Waltz, Sie selbst sind Vater von vier Kindern. Mussten Sie schon mal mit anderen Eltern einen Streitfall Ihres Kindes schlichten oder für eine Missetat haften?

Christoph Waltz: Wenn eines meiner Kinder ein anderes im Streit verletzen würde, dann würde ich es im Gefängnis besuchen müssen. Ja, so alt sind sie schon.

John C. Reilly bekannte, dass er vor den zweiwöchigen Proben zu "Der Gott des Gemetzels" vor Nervosität ein Wrack war. Waren Sie das auch?

Waltz: Natürlich. Aber das zuzugeben ist doch keine Schande! Wir vier - Kate Winslet und Jodie Foster, John und ich - sind ja alle Veteranen. Wir wissen, wie's geht, wissen, was wichtig ist, wissen, welche Instrumente man benutzt, und können beim Spielen diese Werkzeuge unsichtbar machen. Das kann man, jedenfalls wenn man auf einem gewissen Niveau spielt.

Wie war es, mit Ihrer Filmehefrau Kate Winslet zu arbeiten?

Waltz: Ein Vergnügen. Sie ist fabelhaft. Und liebenswürdig. Ich bewundere sie zutiefst und war völlig in ihrer Hand.

Sie sind stets überglaubwürdig in Ihren Rollen. Wie schaffen Sie es, mit Ihren Figuren trotzdem nicht zu verschmelzen? Haben Sie eine bestimmte Methode?

Waltz: Ja - nicht verrückt zu sein. Ich weiß, dass es Schauspieler gibt, die behaupten, dass sie zu ihrer Figur werden. Aber dann gibt es meiner Meinung nach genau zwei Möglichkeiten: Entweder derjenige ist verrückt, oder er lügt. Wie soll man zu jemand anderem werden - außer man ist irre? Es ist auch nicht notwendig, jemand anderes zu werden. Sonst müsste ich für diese Rolle Jura studieren, mit Kate Winslet verheiratet sein ...

... was nicht das Schlimmste wäre.

Waltz: Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu!

In einer Szene erbricht sie sich exzessiv. Diese Szene, so seltsam es klingen mag, hat Kultpotenzial ...

Waltz: ... und ich darf verraten, dass diese Kotze nach Polanskis Spezialrezept angerührt wurde: dem Apfelstreuselkuchen, den wir in der Szene gegessen haben, angereichert mit gequetschter, überreifer Banane. Das war eine Idee von Kate, um die Konsistenz zu verbessern.

Kannten Sie das Stück von Yasmina Reza? Und wie kamen Sie zu Polanski, hat er Sie angesprochen?

Waltz: Na, umgekehrt wäre es nicht sehr hilfreich gewesen, oder? Ja, er rief mich an, als er unter Hausarrest stand. Das Stück von Yasmina Reza hatte ich auf der Bühne gesehen. Es gibt nicht viele Komödien, die unser Leben ungeschönt widerspiegeln. Dramen, Tragödien - ja. Aber Komödien? Die meisten sind albern und reine Zeitverschwendung. Eine richtige gute Komödie ist eine ernste Sache, über die man lachen kann.

Ist Hollywood eigentlich das, was Sie sich erwartet haben?

Waltz: Ich muss zugeben - aber verraten Sie's bitte niemandem -, mit 18, 19, als ich in diesem Beruf anfing, hat es mich dorthin gezogen. Aber dann fing ich an, Geld zu verdienen, und habe schnell gemerkt, dass es dann manchmal um etwas anderes geht. Also hab ich Hollywood schnell wieder vergessen.

Nun werden Sie hier von George Clooney begrüßt und geherzt ...

Waltz: Das ist großartig! Aber man darf nicht vergessen: Um in der Öffentlichkeit zu stehen, bedarf es jemanden, der einen der Öffentlichkeit aussetzt, der diese Gelegenheit vorbereitet. Dort, woher ich kam, gab es so jemanden nicht. In meinem Falle war es erst Tarantino, dann Polanski: Menschen, die dich anschauen und etwas in dir sehen, was andere nicht sehen.

Vor zweieinhalb Jahren begann Ihr Triumphzug als SS-Standartenführer Hans Landa. Was hat sich seit "Inglourious Basterds" und dem Oscar verändert?

Waltz: Vor allem, dass ich seitdem Möglichkeiten zur Verfügung habe, die mir bis dahin verschlossen waren. Das war ein nicht gewähltes Schicksal, ich habe damit immer gehadert, aber die Dinge blieben mir verschlossen. Nicht weil man mich schlecht gefunden hat oder ich nicht wollte. Möglicherweise waren ja nur die Gegebenheiten anders, ich weiß es nicht. Aber plötzlich (schnipst mit den Fingern) hat sich alles verändert. Alles steht mir offen.

Suchen Sie sich Ihre Rollen nun besonders sorgfältig aus?

Waltz: Ich suche Filme nicht mehr oder weniger sorgfältig aus als vorher. Nein, das ist ein Irrtum, dass Laufbahnen sich leiten, lenken oder planen lassen. Das ist nicht so. Karriere ist ein Resultat. Ich kann mich nicht mit dem Resultat befassen, ich mache die Schritte, und zwar in fröhlicher Ignoranz der Karriere. Die kommt dann - oder nicht. Die Dinge passieren eher, als dass sie geplant werden können.

Sie haben also auch Glück gehabt!

Waltz: Na sicher! Nehmen Sie Elmar Wepper: Nach "Kirschblüten Hanami", dem Film von Doris Dörrie, waren alle von ihm hingerissen. "Ja, schau! Was für eine Leistung!" Dilettantengewäsch! Denn was für ein großartiger Schauspieler er ist, sieht man auch beim Dings am Wörthersee, dem "Schloß am Wörthersee". Oder: Gerade da! Das ist tatsächlich keine Herausforderung für einen Schauspieler, trotzdem ist Wepper da grandios. Bei Filmen wie "Hanami", ist es dann plötzlich auch für den arglosesten Deppen erkennbar.

Hat der Erfolg Sie verändert?

Waltz: Jaaa. So ein bisschen. Ich bin selbstbewusster geworden. Ich habe jetzt weniger Skrupel, meine Meinung wirklich zu vertreten. Vorher habe ich das auch schon getan, aber mit etwas mehr Skrupel, weil ich dachte: Hm, das könnte unter Umständen etwas schaden. Das stört mich jetzt nicht mehr so sehr.

Sie haben zwei Staatsbürgerschaften, die deutsche und die österreichische. Wo gehören Sie hin?

Waltz: Ich bin in Österreich geboren und aufgewachsen, bin dort zur Schule gegangen und habe dort studiert, bin dort sozialisiert und habe dort meine neuronalen Vernetzungen verpasst bekommen. Was ist dem noch hinzuzufügen?

Wo wohnen Sie derzeit?

Waltz: Ich wohne nicht, ich halte mich auf. Und das in den letzten zwei Jahren hauptsächlich in Los Angeles. Ich habe auch eine Wohnung in Berlin und kenne viele Menschen dort, aber sonst verbindet mich mit der Stadt herzlich wenig.

Sind Sie für den deutschen Film jetzt eigentlich auf immer verloren? Gewöhnt man sich rasch an den Geschmack der großen weiten Welt?

Waltz: Ich habe ja nichts gegen deutsche Filme! Das irritiert mich an Deutschland: dass der Duft der großen weiten Welt immer woanders angenommen wird. Das passiert einem Franzosen im Leben nicht. Der fragt eher: "Fühlen Sie sich da draußen nicht verlassen, wo hier in Paris doch der Duft der großen weiten Welt weht?" In Deutschland stehen Dinge zur Verfügung, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Aber alle tun so, als ob wir nichts hätten, nichts könnten und arme Schlucker wären. Warum kann man nicht mit einer selbstverständlichen Zuversicht und im Bewusstsein der vorhandenen Qualitäten, ohne über die Stränge zu schlagen, behaupten: Wir machen uns den Duft der großen weiten Welt genau hier?