“Das Schmuckstück“ ist eine herrliche Persiflage auf die Geschlechterrollen der 70er Jahre. Catherine Deneuve läuft zu Hochform auf.

Es ist eines der Kinobilder des Jahres. Catherine Deneuve, bekennende Sportverächterin, joggt leichtfüßig im roten Trainingsdress durch den Wald und hält Zwiesprache mit den Eichhörnchen. Ausgefüllt kann man den Tag ihrer Figur, Madame Suzanne, nicht nennen. Als Gattin des Regenschirmfabrikanten Pujol (Fabrice Luchini) ist ihre Funktion aufs häusliche Dekor beschränkt. Die einer "Potiche", einer Porzellanvase, wie der Film im Original heißt. Es sind die noch brav patriarchalischen Endsiebzigerjahre. Als es keine Globalisierung gab, die Emanzipation in den Kinderschuhen steckte und die Arbeits- und Familienwelt noch als aufgeräumt und übersichtlich galt.

Da die beiden Kinder aus dem Haus sind, stellt sich bei Madame Suzanne Langeweile ein. Unverhofft bekommt die Industriellengattin vom Leben doch noch eine Chance. Ausgerechnet zu Zeiten revoltierender Mitarbeiter erleidet der Patriarch einen Herzanfall. Sein Schmuckstück muss plötzlich die Firma leiten - und zieht neue Saiten auf.

François Ozon ist wohl das, was man einen Frauenversteher nennt. Der Erfolg seines Musical-Krimis "8 Frauen" liegt einige Jahre zurück. Verlegte sich der Regisseur zuletzt auf intime Autorenfilme, unterhält er hier erneut mit einer Komödie, die es in sich hat. "Das Schmuckstück" begeisterte schon ob zentnerschwerer Stoffe ermüdete Kritiker auf den Filmfestivals in Venedig und Toronto. Und das liegt nicht nur an der farbenfrohen Szenerie, die mit eigelbfarbener Küche, gestreiften Blusen und auftoupierten Haaren so wundervoll an die Hysterie der frühen Almodóvar-Filme erinnert.

Catherine Deneuve bei der Revanche an ihrem betrügerischen Ekel von Ehemann zuzusehen ist die reinste Freude. In der Rolle der Firmenmutter läuft sie zu Hochform auf. Sie sorgt für zufriedene Arbeiter, ihr kunstbeflissener Sohn Laurent (Jérémie Renier) bringt frische Farbe in die Kollektion. An der konservativen Tochter Joelle (Judith Godrèche), unglücklich mit einem Workaholic verheiratet und zum dritten Mal schwanger, wird sich der Hauptkonflikt der Kontrahenten im Kampf um die Firma und die Familienvorherrschaft entfachen.

"Das Schmuckstück" wäre kein echter Ozon, wenn er trotz des komödiantischen Zuckergusses nicht allerlei subtile Zwischentöne in den Beziehungen der Figuren herausdestillieren würde. Im Zwist mit der Belegschaft sucht Suzanne die Unterstützung einer früheren Romanze, des kommunistischen Abgeordneten und Ex-Gewerkschaftsführers Maurice Babin, Gérard Depardieu. Das Zusammenspiel der schauspielerischen Schwergewichte, die sich einst bei Truffauts "Die letzte Metro" trafen, ist ein Fest für Cineasten.

Scheinbar vorhersehbare Wendungen der Geschichte hebelt Ozon mit immer neuen Haken des Drehbuches, einer freien Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Barillet et Gredy, aus. Am Ende droht bei der Zeitenwende doch noch eine Rolle rückwärts, denn auch der genesene Patriarch arbeitet hinter den Kulissen an der Rückeroberung alten Terrains. Dass diese überdrehte Komödie letztlich so wunderbar funktioniert, liegt an den vorzüglichen Darstellern und am Zeitabstand, der einen ironischen Blick zulässt und bei etlichen Zuschauern für Wiedererkennung sorgen dürfte.

++++- Das Schmuckstück F 2010, 103 Min., ab 6 J., Regie: François Ozon, D: Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini, täglich im Holi, Koralle-Kino, Passage, Zeise; www.schmuckstueck-derfilm.de