“Lippels Traum“ von Lars Büchel nach dem Buch von Paul Maar ist großes Kino für Kleine zwischen Orient und Niederbayern.

Hamburg. Die Kinderbuchwelten Paul Maars sind immer eine Kinoreise wert. In "Das Sams" brachte ein Zwitterwesen zwischen Traum und Wirklichkeit die geordnete Welt eines Büroangestellten durcheinander, und in "Herr Bello" wurde mit dem zum Mensch verwandelten Hund der kindliche Wunschtraum nach einem tierischen Freund chaotische Realität. In "Lippels Traum" geht Maar noch ein Stück weiter - und vermischt Traum und Wirklichkeit ganz unmittelbar miteinander.

Der elfjährige Philipp (Karl Alexander Seidel), genannt Lippel, führt in der Schule ein zurückgezogenes Außenseiterdasein. Bis auf Herrmann, der Sohn des Co-Rektors, der ihn regelmäßig mit Tannenzapfen bewirft, wird er von den anderen kaum beachtet. Lippels Vater (Moritz Bleibtreu) ist Gourmet-Koch und muss für ein paar Wochen ins Ausland. Als Aufsicht für den mutterlosen Jungen engagiert er Frau Jakob (Anke Engelke), die im Haus ein strenges Gouvernanten-Regime errichtet. Zum Glück hat der Vater Lippel vor der Abreise das Märchenbuch von "1001 Nacht" geschenkt, und so träumt sich der Junge aus dem verregneten Passau in orientalische Welten, in denen Abenteuer und bekannte Gesichter auf ihn warten. Die beiden Migrantenkinder Hamide (Amrita Cheema) und Arslan (Steve-Marvin Dwumah) aus seiner Klasse verwandeln sich zu einem königlichen Geschwisterpaar, das nach einem vermeintlichen Diebstahl vom Herrscher (der Lippels Vater zum verwechseln ähnlich sieht) in die Wüste geschickt wird. Aber der König ist nur das Opfer eines Komplotts. Die böse Tante, bei der sich Gesichts- und Wesenszüge der verhassten Haushälterin wiederfinden, möchte den Thronfolger beseitigen und den König in die Schwermut treiben, um selbst die Macht ergreifen zu können.

Lars Büchel ("Erbsen auf Halb 6") hat diese Reise zwischen Realität und märchenhafter Fiktion mit viel Liebe zum Detail verfilmt. Besonders gelungen sind die Übergänge und Verbindungen zwischen Orient und Niederbayern, die in das spannende Abenteuer auch immer eine gesunde Portion Humor einbringen. Schön, dass Büchel hier den Mut (und das Geld) für große Bilder gefunden hat. Gedreht wurde in Marokko, aus dessen Wüstenlandschaften Kamerafrau Jana Marsik prachtvolle Märchenwelten im Cinemascope-Format herausfiltert. Großes Kino für die Kleinen - das ist gerade im deutschen Kinderfilm keine Selbstverständlichkeit.

Hinzu kommt das gut aufspielende Ensemble: Karl Alexander Seidel ist als blassgesichtiger Außenseiter, der sich in seinen fiebrigen Träumen in einen tapferen Helden verwandelt, ideal besetzt, und Anke Engelke stürzt sich als fiese Gouvernante hingebungsvoll in die Abgründe ihrer Figur.

++++- Lippels Traum D 2009, 101 Min., ab 6 J., R: Lars Büchel, D: Karl Alexander Seidel, Anke Engelke, Moritz Bleibtreu, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor, Harburg, Wandsbek, Hansa-Kinocenter, Koralle-Kino, UCIs Wandsbek, Othmarschen, Smart-City; www.lippels-traum.de