Kino extrem: Lars von Trier betört und stößt ab mit seinem mutig-finsteren Beziehungsdrama “Antichrist“.

Ein Moment der Unaufmerksamkeit - und schon hält das Unheil Einzug im Leben eines Paares (Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe). Leidenschaftlich schlafen sie miteinander und übersehen dabei, dass ihr kleiner Sohn aufgestanden ist, seine Eltern sieht, das Fenster öffnet und in den Tod stürzt. Dieser Prolog zu Lars von Triers "Antichrist" zeigt den großen und den kleinen Tod dicht beieinander in verstörend schönen schwarz-weißen Bildern. In Zeitlupe und von Schneeflocken umweht, stürzt das Kind in die Nacht. Dazu erklingt eine Arie aus Händels "Rinaldo".

Mit dieser Anfangssequenz liefert der dänische Regisseur ein herausragendes Beispiel seiner poetischen Erzählkunst ab. Aber er kann auch anders. Nach dem traumatischen Erlebnis zieht sich das Paar in eine Hütte im Wald zurück, einen Ort mit Namen "Eden". Hier hat Sie an einer wissenschaftlichen Arbeit über den Missbrauch von Frauen geschrieben. Jetzt will Er entgegen aller medizinischen Vernunft versuchen, Sie zu therapieren. Das erweist sich inmitten der bedrohlich wirkenden Natur, die als "Kirche Satans" bezeichnet wird, als aussichtsloses Unterfangen. Unheil kündigen Reh, Rabe und ein Fuchs an, der plötzlich spricht: "Das Chaos regiert."

Die Beziehung der beiden entwickelt sich zu einem Duell auf Leben und Tod, das sich in immer heftigeren Akten vollzieht.

Zum wiederholten Mal entwirft Lars von Trier ein fragwürdiges Frauenbild, das auf selbstzerstörerische Leidensbereitschaft hinausläuft. Dabei setzt er extreme Darstellungen von Sex und Gewalt bis hin zur Selbstverstümmelung ein.

Von schrecklich verschroben bis beklemmend schön reicht die nach unten offene Werteskala in diesem ungewöhnlichen Beziehungsdrama. Der Regisseur, der in früheren Filmen wie "Breaking The Waves" oder "Dancer In The Dark" Anleihen beim Melodram und Musical gemacht hat, borgt sich bei dieser Auseinandersetzung mit dem Bösen, Schuld, Sühne und Glauben Motive aus Splatter-Movies, verbunden mit Anspielungen auf Bergmans "Szenen einer Ehe".

Dieser Film zeigt düstere Symbole, abstoßende, aber auch viele großartige Kinobilder. Ihnen setzt der Regisseur oft schwache Dialoge und im wahrsten Sinne des Wortes quälende Szenen entgegen. Gainsbourg und Dafoe liefern sich einen schonungslosen Kampf um die Integrität und Unversehrtheit ihrer Charaktere.

Von Trier, der vor und während der Dreharbeiten von Depressionen geplagt wurde, hat extreme Themen gesucht und gefunden. Er will provozieren und polarisieren und schafft das auch mit albtraumhafter Sicherheit.

++++- AntIchrist Dk, D, F, S, I, P 2009, 108 Min., ab 18 J., R: Lars von Trier, D: Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe, täglich im UCI Mundsburg, Zeise; www.antichristthemovie.com