“Harlan - Im Schatten von Jud Süß“: Felix Moeller baut die Brücke zur Gegenwart.

Ich war außer mir, habe nur noch geheult, war verzweifelt und konnte mir überhaupt nicht mehr vorstellen, dass mein Vater das gemacht hatte", erinnert sich Maria Körber, eine Tochter des Regisseurs Veit Harlan, an ihre erste Begegnung mit dessen antisemitischem Propagandafilm "Jud Süß", den Harlans Sohn Thomas schlicht als "Mordinstrument" geißelt. Tatsächlich zählt Veit Harlan neben Leni Riefenstahl zu den berüchtigtsten Regisseuren des "Dritten Reichs" und wurde nach Kriegsende zweimal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Dass ihn jeweils ein Richter freisprach, der im Krieg Ukrainerinnen wegen des Diebstahls eines Kopftuchs zum Tode verurteilt hatte, trug nicht gerade zur Rehabilitierung bei.

Felix Moeller hat eine Dokumentation über Veit Harlan gedreht, die geschickt die Brücke in die Gegenwart schlägt: Sie kombiniert Filmausschnitte mit Interviews, in denen vor allem Harlans Kinder und Enkel zu Wort kommen. Ihre bisweilen schmerzhafte Auseinandersetzung mit dem Werk des Vaters bzw. Großvaters steht im Mittelpunkt und macht deutlich, welche Wirkung das Gift, das Harlan streute, noch immer hat.

"Jud Süß" (1940) ist das extremste Beispiel eines Hetzfilms, der half, den Holocaust vorzubereiten, doch Harlan hat das NS-Regime mit seinen Filmen in vielfältiger Weise unterstützt. So ist z. B. "Opfergang" (1942/44) ein pathetisches Drama, das das Sterben, die Aufopferung des Einzelnen mit Bedeutung auflud - zu einer Zeit, da Millionen auf den Schlachtfeldern ihr Leben ließen. Da ist es grotesk, wenn Kristina Söderbaum, Harlans Frau und häufige Hauptdarstellerin, sich in einer Interviewpassage darüber beklagt, wie sehr ihnen die Nachkriegsvorwürfe zugesetzt hätten.

Harlan, das wird deutlich, musste die Filme nicht drehen. Er war in keiner Zwangslage, wie er später behauptete, jedoch extrem ehrgeizig. Dass er dafür über Leichen ging, mag er verdrängt haben. Seine Kinder und Enkel tun es nicht.

++++- Harlan - Im Schatten von Jud Süß D 2008, 100 Min., ab 12 Jahren, R: Felix Moeller, am 12./14./16.6. im Metropolis; www.salzgeber.de