Olli Dittrich über seinen Kinofilm “Die Relativitätstheorie der Liebe“, die Angst vor Katja Riemann und die Frage, wie es weitergeht.

Fahrlehrer Paul ist so bestrickend wie ein Auspuffrohr; Werbemanager Frieder kann alles, nur nicht Familie; der linkische Youssef braucht eine Konzession und keine bebrillte Ische vom Ordnungsamt in seinem Imbiss. Aber alle sind einer: Olli Dittrich. Er und Katja Riemann bringen in dem Episodenfilm "Die Relativitätstheorie der Liebe", jetzt im Kino, die Facetten ihrer komödiantischen Wandlungsfähigkeit aufs Prächtigste zum Schillern - jeder in insgesamt fünf verschiedenen Rollen.

Angerichtet wurde dieses Fest für Maske und Kostüm von Regisseur Otto Alexander Jahrreiss, der auch das Drehbuch schrieb. Die Idee kam Jahrreiss bei der Arbeit für die Werbekampagne einer Elektronik-Fachmarktkette, in der Olli Dittrich verschiedenste Kunden (und Kundinnen) spielt. Was im britischen Kino seit Alec Guinness ("Adel verpflichtet") oder Peter Sellers ("Doktor Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben") schon Tradition hat, funktioniert hier auch auf Deutsch.

Im Abendblatt-Interview erzählt Olli Dittrich von den Tücken der täglichen Verwandlung.

Hamburger Abendblatt: Wie bewältigt man als Darsteller so ein Rollen-Wechselbad?

Olli Dittrich: Natürlich gibt es zuerst das Buch. Aber schon beim Lesen öffnet sich in mir eine Tür, und ich sehe mich in der Rolle herumlaufen. Das ist immer auch ein Indiz dafür, dass es gut geschrieben und gut beobachtet ist. Das sind echte Menschen mit Ecken und Kanten, manchmal skurril oder ganz komisch, aber genau so ist das Leben.

Ihre verschiedenen Masken sind ja sehr aufwendig.

Dittrich: Wir wollten komplett dahinter verschwinden. Ich habe mich da auf meine Maskenbildnerin Michele Thevenet verlassen, mit der ich schon seit Jahren zusammenarbeite. Gerade bei so extremen Verwandlungen müssen Kostüm und Maske einfach stimmen. Man darf sich als Zuschauer keine Gedanken darüber machen müssen, ob der Bart auch richtig sitzt. Der Verwandlungsprozess hat täglich bis zu drei Stunden gedauert. Wir haben mit Klebstoffen, Schaumstoff, Silikon und Perücken gearbeitet. Danach war ich aber auch jemand anderes.

Wie haben Sie und Katja Riemann sich aufeinander eingespielt?

Dittrich: Ich sag mal so: Talent schadet nicht. Wir haben beide Angst vor dem gehabt, was der andere kann, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Ich bin überhaupt nicht Kinofilm-erfahren. Katja hingegen hat da ihre 30, 40 Filme gemacht, da kam ein Profi. Ich musste mich also warm anziehen, um mithalten zu können. Man muss aber auch an so einer Aufgabe wachsen. Das ist Teil meiner Leidenschaft für diese Arbeit. Bei Katja ist es genauso. Es ist ein Fest, mit ihr zu arbeiten. Olli und Katja sind sich praktisch während der gesamten Drehzeit nicht begegnet. Nur manchmal morgens ganz früh oder abends nach dem Abschminken.

In manchen Szenen begegnen Sie sich sogar in verschiedenen Rollen. Kann man bei einer Geschichte, die so minutiös auf Timing abgestimmt ist, überhaupt noch improvisieren?

Dittrich: Manchmal lief die Kamera einfach weiter und wir haben improvisiert. Das hat aber nicht den Weg in den Film gefunden. Dazu war das Buch zu genau geschrieben. Jeder Drehtag war ohnehin sehr genau getaktet. Je länger wir drehten, desto größer wurden auch unsere Sorgen: Was macht die Maske mit unserer Haut? Regeneriert die sich noch gut?

Mussten Sie hinterher eine Beauty-Kur machen?

Dittrich: Nein. Aber sich eineinhalb Stunden mit verschiedenen Ölen abzuschminken war auch ein Ritual.

Sie spielen nicht nur den "Yogi Swami Helmut", Sie meditieren auch selbst. Was bewirkt das, wenn Sie sehr stark gefordert sind?

Dittrich: Ich mache das seit 1985. Natürlich schaffe ich nicht regelmäßig die vorgegebene Einheit zweimal am Tag 20 Minuten. Ich nutze eine ganz einfache Mantra-Entspannungstechnik. Wenn man es auf bestimmte Weise denkt, wirkt das auch. Das ist ja kein Hokuspokus.

Am 28. und 29. Mai spielt Texas Lightning beim Brauereifest der Holstenbrauerei. Wie geht's dem texanischen Blitz?

Dittrich: Den gibt es noch, aber es hat einen Umbruch gegeben. Jon Flemming Olsen, der die Band lange vor meiner Zeit gegründet hat, ist ausgestiegen. Wir haben lange überlegt, ob es ohne ihn weitergehen kann. Aber ab 2005 haben sich Erfolge eingestellt, und die waren auf mehrere Schultern verteilt. Dazu gehören auch Jane Comerford und ich. Wir haben mit Malte Pittner von der Band Deichkind einen Nachfolger gefunden, der mit Jane harmoniert. Aber Flemming und ich sind immer noch Freunde. Und wir betreiben zusammen "Dittsche", und das muss natürlich unbeschädigt bleiben.

Sie haben jetzt fast 160 "Dittsche"-Folgen gedreht. Wollen Sie etwas ändern?

Dittrich: Experimente gerne, aber nicht auf Teufel komm raus. Die Figurenkonstellation zu ändern oder in einen anderen Raum zu gehen wäre nicht ohne Risiko. Wir probieren durchaus etwas, aber vorsichtig. Wir haben überlegt, ob wir ihn Arbeit finden lassen sollten und ihn, wie in einer Realdoku, mit der Kamera dabei begleiten. Aber dann wäre Schildkröte weg, und vor allem hätte man keinen Ingo mehr. Ingo ist aber der Counterpart, ein wichtiges Regulativ, ein Gegengewicht zu ihm und seinen skurrilen Ansichten, auch sein soziales Gewissen. Dittsches Umfeld, in dem er auftrumpfen kann, wäre verloren. Der Imbiss ist eine in sich geschlossene Kulisse von großer Kraft.

Er muss also in seinem Biotop bleiben?

Dittrich: Wenn Dittsche in freier Wildbahn auf andere, fremde Leute trifft, noch dazu unter Leistungsdruck, wird er so klein mit Hut. Dann geht aber die Komik verloren, seine Tragik stünde im Vordergrund. Dittsche würde zur bedauernswerten, armen Wurst. Wir müssten ihm auch noch den Bademantel wegnehmen. Und das geht ja nun gar nicht.