Berlin. Mit seinen melancholischen Menschenporträts, die keinem Zeitgeist huldigen, ist Peter Stamm erstaunlich erfolgreich. Und sehr produktiv. Nun erscheint sein neuer Roman.

Peter Stamm erzählt keine großen Gesellschaftsdramen und Katastrophen. Seine knapp gehaltenen Romane in stringenter Sprache sind Geschichten aus dem Alltag gutbürgerlicher Menschen, die nach Liebe suchen, sie nicht finden oder sie nicht leben können, in jedem Fall den richtigen Zeitpunkt verpassen.

Mit seinen feinen melancholischen Menschenporträts, die keinem Zeitgeist huldigen, ist der inzwischen 59 Jahre alte Schweizer Schriftsteller erstaunlich erfolgreich. Und sehr produktiv. Fast jedes Jahr legt er ein neues Werk vor.

Der Inhalt seines neuesten Buchs „In einer dunkelblauen Stunde“ klingt auf den ersten Blick wenig spektakulär, wie die meisten seiner Bücher. Im Mittelpunkt stehen eine Dokumentarfilmerin und ein Schriftsteller. Sie versucht ihn zu porträtieren, er entzieht sich ihr immer wieder wie ein glitschiger Fisch. Immerhin entstehen ein paar schöne Aufnahmen und Gespräche in Pariser Cafés und Straßen.

Doch als in seinem Heimatort in den Schweizer Bergen weitergedreht werden soll, kommt er einfach nicht mehr. Der Film wird nie erscheinen und damit endet auch die Karriere der Dokumentarfilmerin, nicht jedoch ihre Suche nach einer Antwort, wer eigentlich dieser Schriftsteller ist.

Suche nach der Jugendliebe

Natürlich geht es auch in dem aktuellen Roman um die Liebe. Die Dokumentarfilmerin Andrea entdeckt beim Warten auf den Schriftsteller Richard Wechsler, dass in fast allen seinen Romanen eine Jugendliebe eine große Rolle spielt, die sein ganzes Leben beeinflusst hat. Doch er selbst wollte nie etwas darüber preisgeben. Also macht sie sich auf die Suche und findet tatsächlich diese Jugendliebe wieder, die heute Pfarrerin in Wechslers Heimatort ist. Was kann sie über ihre Beziehung zu dem geheimnisvollen Schriftsteller verraten?

Viel später - Wechsler ist inzwischen gestorben - wird der unvollendete Film, das abgebrochene Künstlerporträt in Andreas Fantasie weitergeschrieben. In verschiedenen Szenen, eigentlich Filmsequenzen, imaginiert sie, wie sich die intimen Begegnungen abgespielt haben könnten, nicht nur zwischen Wechsler und seiner Jugendliebe, sondern auch zwischen ihr selbst und dem wesentlich älteren Schriftsteller.

Tatsächlich hat es diese Intimitäten nie gegeben. Ihre Fantasien wechseln in der Erzählung mit der profanen Realität ihres eigenen Lebens ab, ihren eher faden Liebesbeziehungen zu Kollegen und ihrem monotonen Alltag in einer Agentur, in der sie jetzt arbeitet.

Puzzleartige Erzählweise

Obwohl auch in diesem Roman von Peter Stamm der für ihn typische melancholische Grundton vorherrscht, gibt es doch ein überraschendes, fast versöhnliches Ende. Trotzdem bleibt ein unbefriedigendes Gefühl zurück. Zum einen ist die puzzleartige, ständig die Zeitebenen wechselnde Erzählweise nicht jedermanns Sache, zum anderen sind die Protagonisten zu blass und wenig einnehmend geraten.

Weder der Schriftsteller noch die Filmemacherin entfalten genügend Strahlkraft und Spannung, als dass man sich mit ganzem Herzen für ihre Geschichte und Geheimnisse interessieren könnte.

Peter Stamm: In einer dunkelbauen Stunde, S. Fischer Verlag, Frankfurt a. Main, 256 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-10-397128-6