London/Zürich. Eine Serie mit Gary Oldman, der Soundtrack von Mick Jagger und viele Preise: Die Krimis von Mick Herron um den Agenten Jackson Lamb sind kein Geheimtipp mehr. Nun erscheint ein neuer Band.

Agenten, die keinerlei Lizenz zum Killen haben, stehen im Fokus der vielfach ausgezeichneten Krimis von Mick Herron um den Geheimagenten Jackson Lamb. Seit April 2022 läuft der Stoff als Serie bei Apple TV mit Gary Oldman. Spätestens seitdem ist der Autor mit dem sehr britisch-schwarzen Humor, ironischen Dialogen und gepflegtem Sarkasmus kein Geheimtipp mehr.

Nun erscheint im Diogenes Verlag «London Rules», der mittlerweile fünfte Band um die Agenten, die so weit von Superhelden im Sinne von James Bond entfernt sind, wie es überhaupt möglich ist. Was macht die erfolgreichen Krimis des Briten Herron aus? Und was hält er selbst von der Verfilmung mit Gary Oldman in der Hauptrolle?

Bildhafte Sprache

Der 64-jährige Schauspieler spielt Lamb, der mit seiner Truppe ausrangierter MI5-Agenten im sogenannten Slough House arbeitet, einer Außenstelle des britischen Inlandsgeheimdienstes. Zu den Figuren gehören: eine trockene Alkoholikerin, ein Kokserin mit Problemen bei der Selbstbeherrschung, Gescheiterte und Traumatisierte. Im Slough House, einer Art Entsorgungsstation für gescheiterte Spione, dürfen sie nur noch sinnentleerte, stumpfsinnige Aufgaben übernehmen. Dafür sorgt Lamb. Im Kalten Krieg und damals in Ostberlin, Prag oder Moskau hätte man ihn wohl den Station Chief genannt. Das ist lange her, und er hat zu viel gesehen. Doch wie abgebrannt Lamb auch sein mag - seinen Mitarbeitern kann er immer noch das Leben zur Hölle machen. Ein Leben, das übrigens überraschend oft plötzlich und gewaltsam endet in den Büchern der Serie.

Herrons bildhafte Sprache und Verwendung von Metaphern mag an Raymond Chandler erinnern, und eine Noir-Stimmung kommt bei der Arbeit in Slough House automatisch auf. Doch zugleich ist das Personal seiner Romane deutlich diverser als in traditionellen Spionageromanen.

Die Bücher des 59-Jährigen haben außerdem zahlreiche aktuelle Bezüge wie etwa die Brexit-Debatte. «In den ersten Büchern ist das noch nicht so stark vertreten, es geht dann richtig los mit London Rules», so Herron. «Wenn eine Regierung von einem Desaster ins nächste stolpert, dann gibt das einem Schriftsteller einfach viel Material.»

Schwarzer Humor

Zwar blieben die politischen Anspielungen eher im Hintergrund, da es sich schließlich vor allem um einen Spionageroman handele. «Aber ich habe Glück, weil ich gerne schwarzen Humor verwende und über Inkompetenz und Katastrophen schreibe - und seit Jahren haben wir Regierungen gehabt, die reichlich Inkompetenz und Katastrophen lieferten. Wenn ich darüber schreibe, ist das schon Comedy.»

Es sind nicht nur die gescheiterten Karrieren, die die Figuren in der Slough-House-Reihe plagen. Mit Jackson Lamb haben sie einen Chef, wie ihn sich niemand wünscht. Übellaunig furzt, flucht und trinkt er sich durch den Arbeitstag, den er seinen Untergebenen möglichst unangenehm gestaltet. Wer im eigenen Berufsleben schwer gefrustet ist, dem bleibt beim Lesen der Reihe ein Trost: Es geht immer noch schlimmer.

Lamb sei generell ein Menschenfeind, der alle gleich schlecht behandele, so Herron über seinen Protagonisten, der gegen so ziemlich jede Regel politischer Korrektheit verstößt. «Aber ich halte ihn immer eine Armlänge auf Abstand, so dass man nicht weiß, was er wirklich denkt. Und viele seiner scheußlichsten Äußerungen sind doppeldeutige Wortspiele. Ich lasse den Leser nicht in seinen Kopf sehen, denn wenn er genau meint, was er sagt, wäre er unerträglich. Und wenn er nur etwas vorspielt, hört er auf, gefährlich zu sein. Ich glaube, er spielt eine Rolle und genießt es, diesen unangenehmen Charakter zu spielen.»

Genossen haben dürfte das auch Gary Oldman. Er spielt Lamb mit kaputten Socken, fettigen Haaren, Whiskyflasche und stets missgelauntem Gesichtsausdruck. Herron bezeichnet Oldman im Gespräch als «einen der größten Charakterdarsteller unserer Zeit». Mit der Verfilmung seines Buchs sei er überaus zufrieden. «Ich habe beim Schreiben normalerweise keine visuelle Vorstellung der Figuren - aber Gary Oldman ist ein perfekter Jackson Lamb.»

Titelsong von Mick Jagger

Dabei ist Oldman nicht der einzige Superstar, der in die TV-Version eingebunden war: Mick Jagger schrieb und sang den Titelsong «Strange Game», der ein wenig an die Intros der James-Bond-Filme erinnert - ergänzt um Herrons Sinn für Humor. «Ich konnte es einfach nicht glauben!» sagt Herron, und die Aufregung ist ihm immer noch anzuhören. «Ich bekam einen Anruf, und es hieß - Mick Jagger macht den Song. Und ich konnte ein Jahr lang niemandem davon erzählen!»

Inzwischen sei nicht nur die Verfilmung des zweiten Buchs abgeschlossen und die des dritten laufe - auch Herron arbeitet an einem neuen Buch. Das sei allerdings nicht Teil der Serie, betont er. Abgeschlossen habe er mit Jackson Lamb und seinen verhinderten Spionen aber noch nicht. «Es wird einen Band neun geben. Aber erst in ein paar Jahren.»

- Mick Herron, London Rules, Diogenes Verag, 496 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-257-30093-2.