Wien. Zwischen Fürsorge für ihr Kind und Freiheitsdrang: Eine Alleinerziehende in einer Großstadt kommt an ihre Grenzen. Bis sie beginnt, nach Wegen zu suchen, um aus dem täglichen Hamsterrad auszusteigen.

Manche junge Frau wird sich in diesem messerscharfen Porträt wiedererkennen. Eine alleinstehende Mutter droht von ihrem kräftezehrenden Alltag verschlungen zu werden. Ihr kleiner Sohn ist niedlich, nimmt sie jedoch 24 Stunden am Tag in Anspruch.

Der Vater hat sich kurz nach der Geburt aus dem Staub gemacht und zahlt nicht. Als Freiberuflerin kämpft die junge Mutter mit Termindruck und miesen Honoraren. Ohne Netzwerk muss sie alles allein managen. Immer häufiger denkt sie über kleine Fluchten nach und unternimmt längere Auszeiten ins Nachtleben.

Carole Fives schmaler Roman "Kleine Fluchten" ist eine brillante Studie über die Einsamkeit junger Mütter in der Großstadt. Mit geradezu chirurgischer Genauigkeit beschreibt sie die vielen kleinen Alltagsszenen, die mühseligen Routinen eines Lebens im Hamsterrad. Es ist eine Geschichte großer Verlorenheit, aber auch der anmaßenden Selbstgerechtigkeit einer Gesellschaft, die ganz genau weiß, welche Rolle eine Mutter einzunehmen hat. Sogar in Frankreich.

- Carole Fives: Kleine Fluchten, Zsolnay Verlag, Wien, 144 Seiten, 19,00 Euro, ISBN 978-3-552- 07226-8.

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