Leipzig. Schon zweimal ist die Leipziger Buchmesse wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. Jetzt nehmen die Messemacher 2022 ins Visier - und hoffen wenigstens auf ein kleines Lesefest in sechs Wochen.

Nach zwei Absagen der Leipziger Buchmesse wegen der Corona-Pandemie gibt es viele Fragen, wie es mit der Bücherschau weitergeht. Der Messe-Direktor Oliver Zille sagt im dpa-Interview, was dieses Jahr noch möglich sein soll und worauf er 2022 setzt.

Frage: Statt der abgesagten Buchmesse soll es im Mai nur ein kleines Lesefest geben, "Leipzig liest extra". Wie soll das aussehen?

Antwort: Das werden wir entscheiden, wenn klar ist, wie die genauen Rahmenbedingungen sind. Leider wissen wir das ja aktuell noch nicht. Es wird auf jeden Fall - mit Publikum oder ohne - einen Festakt in der Nikolaikirche zur Verleihung des Leipziger Buchpreises für europäische Verständigung geben, außerdem die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse in der Kongresshalle, den Kurt-Wolff-Preis, den Fantasy-Preis Seraph und den Großen Leipzig-liest-Abend. Zudem planen ARD, ZDF und Deutschlandradio Autorengespräche. Was die Verlage darüber hinaus in Leipzig tatsächlich tun, wird sich mit den konkreten Rahmenbedingungen entscheiden.

Frage: Wie viele Veranstaltungen werden es sein - es war mal von 300 die Rede?

Antwort: Die 300 Veranstaltungen sind weiterhin der Planungsstand. Was wir letztendlich hier in Leipzig durchführen können, wird sich mit den Rahmenbedingungen entscheiden. Sollte sich die Situation nicht verbessern, wird dann nur ein Teil davon in Leipzig produziert und gestreamt. Im Moment ist die Stimmung bei unseren Partnern angespannt positiv, aber die Nachrichtenlage ändert sich ja täglich.

Frage: Sie klingen etwas genervt.

Antwort: Nein, das nicht. Sicher aber angespannt. So gern ich es auch tun würde: Ich kann aktuell keine konkreteren Aussagen treffen. Wir kennen selbst jetzt - sechs Wochen vorher - die letzten Details für unsere Sonderausgabe des Lesefestivals nicht. Für "Leipzig liest extra" wollen wir eines nicht: digitale Schnipsel, die in großer Menge vorproduziert sind, aber nichts mit Leipzig zu tun haben. Die Veranstaltungen sollen schon überwiegend aus Leipzig kommen.

Frage: Aber es läuft nicht auf eine Absage des Festivals hinaus?

Antwort: Nein, keinesfalls. Lockdown hin oder her - es wird einen Festakt in der Nikolaikirche geben, gegebenenfalls auch ohne Publikum. Das Gleiche gilt für den Preis der Leipziger Buchmesse und die anderen Preisverleihungen. Wenn es aber wirklich so sein sollte, dass Ende Mai Publikum nicht zugelassen werden kann, wird sich die Gesamtveranstaltungszahl sicher reduzieren.

Frage: Nach zwei Absagen wegen Corona - wie sehen Sie die Zukunft der großen Leipziger Buchmesse?

Antwort: Bei Literatur geht es immer auch um Vielfalt und um Sichtbarkeit. Dafür braucht es Präsenz-Veranstaltungen. Das bestätigen uns auch unsere Kunden. Auch deshalb glaube ich fest an die Buchmesse. Ein Verlag hat sicher Möglichkeiten, im Digitalen sein Stammpublikum zu erreichen. Aber neues Publikum, auch Zufallspublikum gewinnen unsere Kunden durch die Art, wie wir die Leipziger Buchmesse kreieren. Die Atmosphäre ist unser wesentliches Distinktionsmerkmal, das sich im Digitalen nicht abbilden lässt.

Frage: Die Leipziger Buchmesse gilt als "Cashcow" der Messegesellschaft: Was geht der Leipziger Messe durch die beiden Absagen verloren?

Antwort: Als Leipziger Buchmesse tragen wir einen wichtigen Teil zum Ergebnis der Leipziger Messe GmbH bei. Zahlen dazu kann ich hier nicht nennen. Es ist aber bekannt, dass das Siebenfache dessen, was auf einer Messe umgesetzt wird, in ihrem Umfeld noch einmal erwirtschaftet wird. Leipzig liest extra wird jedoch aufgrund seiner besonderen Konzeption keine Einnahmen wie in den sonstigen Jahren generieren. Daher brauchen auch wir dieses Jahr die Unterstützung unseres Hauses und der Gesellschafter. "Leipzig liest extra" ist vor allem ein Zeichen in die Branche.

Frage: Eine Art Platzhalter, um zu zeigen, dass Sie noch da sind also?

Antwort: So banal ist es auch wieder nicht. Die Buchmesse ist ein großer Tanker, der in Bezug auf die ständig wechselnden Corona-Regeln nicht flexibel genug gehandhabt werden kann. Wenn sich eine Messe nicht realisieren lässt, haben wir nach der nächsten möglichen Stufe gesucht, auf der wir Publikum und Autorinnen und Autoren zusammenbringen und die Grundidee unserer Messe transportieren können: Literatur sichtbar zu machen und Publikum fürs Lesen, für neue Bücher, für Literatur zu begeistern.

Frage: Wie optimistisch sind Sie, dass es 2022 wieder eine Buchmesse geben wird?

Antwort: Wir planen fest mit dem Termin im März. Wir gehen davon aus, dass die Situation nach der Impfkampagne eine andere sein wird. Es wird natürlich trotzdem noch immer eine Messe unter Corona-Einfluss sein. Es wird zusätzliche Anmeldebedingungen geben müssen. Was wir aber jetzt zunächst einmal brauchen, ist ein rechtlicher Rahmen, um mit dem Messegeschäft wieder beginnen zu können.

Frage: Volle Messehallen wie vor der Pandemie sind kaum mehr vorstellbar. Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Menschen ein, überhaupt wieder auf eine Messe zu gehen?

Antwort: Ich denke, die Pandemie hat Spuren in uns allen hinterlassen. Eine Messe mit Publikum heißt nicht eine Messe wie 2019. Es kommt nicht auf 300 000 Besucher an, sondern es kommt darauf an, die Grundidee unserer Messe wieder mit Leben zu erfüllen. Ursprünglich hatten wir für dieses Jahr angestrebt, 100 000 Besucher, also 25 000 pro Tag, auf das Messegelände zu lassen. Das könnte für mich, aus heutiger Sicht, auch ein Benchmark für 2022 sein - wenn sich die Bedingungen entsprechend verbessern.

ZUR PERSON: Oliver Zille (60) betreut seit 1991 die Leipziger Buchmesse. Nach dem Mauerfall kümmerte sich der Ökonom um die Neuausrichtung der Bücherschau. Seit 2004 ist er Mitglied der Geschäftsleitung der Leipziger Messe GmbH und Direktor der Leipziger Buchmesse.

© dpa-infocom, dpa:210409-99-135287/4