Osnabrück. Die Corona-Zeit mit ihren Einschränkungen belastet die Menschen. Ein Kultur-Mitmach-Projekt in Osnabrück bietet die Möglichkeit, sich kreativ mit der schwierigen Situation auseinanderzusetzen.

Ein Projekt in Osnabrück thematisiert die Folgen des Lockdowns und macht die Bürger selber zu Künstlern: Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt sind aufgefordert, ein gemeinsames Buch über ihre Erfahrungen zu schreiben.

Die Leiterin der Stadtbibliothek, Martina Dannert, erklärt, was es mit dem Projekt auf sich hat.

Frage: Sie haben die Osnabrückerinnen und Osnabrücker aufgerufen, an einem gemeinsamen Corona-Buch zu schreiben - warum?

Martina Dannert: Das Projekt heißt "Eine Stadt schreibt ein Buch" und ist im Dezember gestartet. Die Idee ist, am Ende ein Buch zu haben, das darlegt, wie die Menschen die Zeit wahrgenommen haben, was sie gemacht haben, wie sie mit den Einschränkungen umgegangen sind. Die Menschen sollen uns also ihre Geschichten schicken, und sie können das auf unterschiedlichste Art machen. Es sind alle Formen erlaubt, Geschichten, Gedichte, Gespräche. Die Beiträge sollten maximal zwei Seiten lang sein. Wer nicht selber schreiben möchte, kann sich auch an eine Geschichtenerzählerin wenden und ihr etwas erzählen. Sie verdichtet das dann zu einer persönlichen Geschichte. Und wer sich mehr Hilfe beim Schreiben wünscht, kann an einem der kostenlos angebotenen Schreibworkshops teilnehmen.

Frage: Und wie ist die Resonanz? Was erzählen die Menschen?

Martina Dannert: Bislang liegen schon etwa 50 Beiträge in unterschiedlicher Länge vor. Jemand hat zum Beispiel geschrieben, dass er keinen Kontakt zu seinem Enkel mehr hatte. Damit konnte er auch keine Geschichten mehr vorlesen. Auch telefonisch war es schwierig, Kontakt zu halten. Da hat er sich beim Geschichtenvorlesen aufgezeichnet und das auf Youtube gestellt, und sein Enkel konnte sich das anschauen. Das ist doch toll: Opa liest vor, und ich kann mir das immer wieder anschauen.

Frage: Was war bislang die beeindruckendste Einsendung?

Martina Dannert: Ein neunjähriges Mädchen hat den Aufruf in der Zeitung gelesen und sich sofort hingesetzt und über ihre Erfahrungen mit dem Homeschooling geschrieben. Das fand ich richtig mutig, so spontan etwas über sich zu erzählen. Wir haben auch ein ganz bezauberndes Gedicht bekommen, das ist nur drei Zeilen lang, und die haben sechs Wörter. Das ist so reduziert, aber unglaublich stark. Jemand hat eine fiktive Geschichte geschrieben, die richtig witzig ist. Wunderbar, was da alles möglich ist! Das ist toll. Es macht Spaß, und man fühlt sich richtig beschenkt, wenn man das liest.

Frage: Manche schicken auch Kunstwerke ...

Martina Dannert: Ja, denn die Geschichten sollen sich aus Gegenständen ergeben, die wichtig sind in der Pandemie. Daher soll es zu jedem Beitrag auch ein Bild geben. Manchmal sind es Fotos, aber wir haben auch schon Gegenstände bekommen, die künstlerisch bearbeitet wurden. Das wird dieses Buch ausmachen, diese unglaubliche Vielschichtigkeit.

Frage: Wann und wie soll das denn veröffentlicht werden?

Martina Dannert: Der Einsendeschluss ist der 31. März. Wir machen das Projekt gemeinsam mit der Fromm-Stiftung. Geplant ist, dass es nicht nur in der Bibliothek ein Buch gibt, sondern dass es auch frei verfügbare Exemplare gibt, so dass man das Buch auch erwerben kann. Sobald es gedruckt ist, werden wir die "Buchtaufe" im Rahmen einer Ausstellungseröffnung feiern.

ZUR PERSON: Martina Dannert (55) ist seit 2006 Leiterin der Stadtbibliothek Osnabrück.

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