München. Dieses Buch gleicht einer Schnitzeljagd: Finde 64 Objekte in Museen, anhand derer sich die Menschheitsgeschichte nachzeichnen lässt. Dafür braucht man die Couch nicht verlassen. Und der Autor liefert zudem noch allerhand Wissenswertes drumherum.

Ein Fisch aus Gold, ein phallusförmiges Amulett oder ein Signalhorn mit Flechtmuster und Tiermotive: Diese drei und noch 61 weitere Objekte nutzt Kulturwissenschaftler Stefan Laube, um nichts weniger zu tun, als "an ihnen eine Geschichte der Zivilisation zu schreiben". So formuliert es der Autor in der Einleitung zu seinem neuen Buch "Der Mensch und seine Dinge".

Dafür ist der Privatdozent an der Humboldt-Universität zu Berlin, der auch an der Herzog August Bibliothek forscht, durch die Berliner Museen gestromert. Beziehungsweise konkreter: Bei Besuchen in den verschiedenen Häusern - vom Ethnologischen Museum über das Kunstgewerbemuseum bis zum Museum für Byzantinische Kunst - ist Laube auf die 64 Objekte gestoßen, die Eingang in sein Werk schafften. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Herkunft und Funktion. Auch die verwendeten Materialien und Größen beispielsweise variieren sehr stark.

Für seine Analyse sortiert Laube sie nicht nur jeweils zu viert und verordnet sie nach Überschriften wie "bannen & beschwören" oder "kämpfen & verwunden". Je vier solcher Quartette wiederum packt er in Viertel mit Überschriften wie "natürlich & übernatürlich" oder "gemeinschaftlich & gesellschaftlich".

Einerseits betont er die Bedeutung der "Vierheit" und bezieht sich dabei unter anderem auf Jahreszeiten und Himmelsrichtungen als Beispiele. Die Quartette setzten "weit voneinander entfernte Regionen und Zeitalter in eine Beziehung und legen Ungewöhnliches, Unerwartetes frei", erläutert Laube. Zum Ende hin räumt er allerdings auch ein, dass sowohl die Auswahl der Objekte als auch die Zuordnung zu den von ihm geschaffenen Kategorien eher willkürlich oder zufällig war und auch ganz anders aussehen könnte.

Die 64 einzelnen Kapitel dann widmen sich jeweils mehrere Seiten lang nicht nur dem einen, zentral vorgestelltem Objekt, das auch im Bild zu sehen ist. Vielmehr öffnet Laube anhand dieses einen Gegenstands, Kleidungsstücks oder Gemäldes seine Analyse für ein ganzes Themenfeld. Mal geht es dann auch um die Rolle deutscher Wissenschaftler bei Ausgrabungen auf internationalem Terrain, mal um die Rolle von Gesichtern unter anderem als Büste, Zeichnung oder auch auf Vasen. Vor allem aus Gesichtsdarstellungen speise sich die Faszination von Museumsobjekten, schreibt Laube.

Die Texte sind kenntnis- und facettenreich recherchiert und geschrieben. Auf diese Weise kann der Leser sowohl eine Art geistigen Spaziergang durch die Menschheitsgeschichte machen und Eindrücke sammeln, die er sonst vielleicht nicht bekommen hätte. Gleichzeitig ist es wie eine Schnitzeljagd durch die Berliner Museen, bei der man 64 Objekte finden muss - und in diesem Zuge viel mehr über die einzelnen Anschauungsstücke und ihre Zusammenhänge erfährt, als es ein einfacher Rundgang durch eine Ausstellung wohl jemals vermocht hätte.

Stefan Laube: Der Mensch und seine Dinge, Hanser Verlag, 512 Seiten, 32,00 Euro, ISBN 978-3-446-26824-1

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