Berlin. Adenauer und Petticoat - in “Die Welt war jung“ erzählt die Bestsellerautorin Carmen Korn drei Familiengeschichten in Köln, Hamburg und San Remo aus den 50er Jahren.

Die 50er Jahre hinterlassen ein zwiespältiges Bild.

Zum einen haftet ihnen ein muffiger Geruch an. Man verbindet sie mit spießigen Bildern von Frauen am Herd und Männern mit Hüten. Mit einer Gesellschaft, in der Sex vor der Ehe tabu war, Homosexualität unter Strafe stand und die Nazi-Zeit unter den Teppich gekehrt wurde.

Andererseits waren die 50er Jahre unbestreitbar eine Zeit des Aufbruchs. Aus den Trümmern des Krieges entstand in Westdeutschland eine stabile Demokratie. Die Deutschen stürzten sich in einen Aufbaurausch - bauten, kauften, aßen um die Wette. Die Zukunft erschien in rosa Farben. Insofern stimmt der Titel von Carmen Korns Roman "Und die Welt war jung".

Die Hamburger Bestsellerautorin fängt darin die optimistischeren Seiten der Zeit ein - mit ein paar düsteren Einsprengseln. Das Werk bildet den Auftakt zu einer Trilogie, der "Drei-Städte-Saga", die abwechselnd in Köln, Hamburg und San Remo spielt. Nach ihrer sehr erfolgreichen "Jahrhundert-Trilogie" setzt sie damit ihr großes Thema fort: eine Familien- und Freundesgeschichte vor dem Hintergrund deutscher Historie.

Während in der "Jahrhundert-Trilogie" anhand der Biografie von vier befreundeten Frauen der ganz große Bogen geschlagen wird vom Kaiserreich bis zur Jahrtausendwende, setzt die neue Reihe erst in der unmittelbaren Nachkriegszeit an. Drei Familien suchen nach den Schrecken der Nazizeit und den Verheerungen des Weltkriegs einen Neustart.

Gerda und Heinrich Aldenhoven betreiben in Köln eine Kunstgalerie. Nach Kriegsende liegt das Geschäft am Boden. Wer kauft schon Kunst, wenn es am Nötigsten fehlt? Doch Heinrich hat Glück und auch einen gewissen Riecher. Er kann einen vielversprechenden Künstler an sich binden und langsam nimmt die Galerie wieder Fahrt auf. Gleichzeitig wird der Händler auf die großartige Kunst eines jüdischen Malers aufmerksam, dessen Spuren sich im Dunkel der Nazizeit verlieren.

Schatten der Vergangenheit fallen auch auf die Hamburger Familie Borgfeldt. Gerdas Freundin Elisabeth quält ein mysteriöses Ereignis aus der Vergangenheit, das sie tief in sich verschließt. Ihre Tochter Nina wartet noch immer auf die Rückkehr ihres Mannes Joachim aus dem Krieg, beginnt dann aber eine Liebesgeschichte mit dem sympathischen Engländer Vinton.

In San Remo lebt die Familie Canna. Heinrich Aldenhovens Schwester Margarethe hat es durch die Heirat mit dem Kurator Bruno Canna an die sonnige Riviera verschlagen. Doch ihr beschaulicher Alltag wird getrübt durch eine sittenstrenge Schwiegermutter, die das Zepter der Dynastie noch immer herrisch in der Hand hält.

Um diese Hauptfiguren herum kreisen noch Söhne, Töchter, Schwiegersöhne und -töchter, Cousinen und Freunde, alles in allem eine verwirrend große Schar von Personen. Auch eine Übersicht zu Anfang des Buchs hilft in diesem Gestrüpp nur bedingt, zudem die Handlung immer wieder von Schauplatz zu Schauplatz springt. Die Protagonisten sind meist sympathisch, man verfolgt ihr Schicksal mit Interesse, Korns Sprache ist eingängig und vermeidet allzu große Sentimentalität, wie sie oft typisch für historische Frauenromane ist.

Allerdings ist der Roman zu breit ausgewalzt, um auf knapp 600 Seiten die Spannung zu halten. Und wie ist es nun mit dem Zeitkolorit? Es wird deutlich, dass der Geschichte eine umfassende Recherche und teilweise auch sehr gute Ortskenntnis zugrunde liegt, wobei der San-Remo-Teil hier etwas abfällt. Korn lässt unbewältigte Probleme der Vergangenheit wie die späten Kriegsheimkehrer oder die Enteignung jüdischer Künstler mit einfließen. Ob das Lebensgefühl der 50er Jahre tatsächlich authentisch wiedergegeben ist, können am besten Leserinnen beurteilen, die diese Zeit bewusst miterlebt haben. Die Frauen im Roman jedenfalls atmen eher den Geist des 21. Jahrhunderts, sind meist beruflich erfolgreich oder haben zumindest moderne Ansichten. Ist nicht ganz echt, aber kommt sicher gut an.

- Carmen Korn: Und die Welt war jung, Kindler Verlag, Hamburg, 576 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-463-40704-3.

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