Berlin. “Hamster im hinteren Stromgebiet“ - so nennt der Autor und Schauspieler Joachim Meyerhoff seinen neuen Roman: eine trotz des ernsten Themas eher gutgelaunte Expedition in tragikomisches Terrain.

Wie fühlt sich das an, wenn man von einem Moment auf den anderen aus seinem gewohnten Leben gerissen wird? Gerade noch stand er als gefeierter Schauspieler auf der Bühne, und ein paar Tage später sitzt er als Patient im Rollstuhl.

Exakt diesen Schock musste Joachim Meyerhoff verarbeiten, der im Jahr 2018 einen Schlaganfall erlitt. Von dieser existenziellen Krise und ihrer Überwindung erzählt der Autor und langjährige Burgtheater-Mime in seinem neuen Roman "Hamster im hinteren Stromgebiet", dem mittlerweile fünften Band seiner autobiografischen Reihe "Alle Toten fliegen hoch".

Da sitzt der Autor (Jahrgang 1967) mit seiner ältesten Tochter bei den Schulaufgaben, und plötzlich wird ihm übel, und er stellt mit Entsetzen fest, dass ihm eine Körperhälfte abhanden kommt. Er weiß schnell, was das bedeutet. "Abtransport einer Marionette": Der Notarztwagen steht dann mit dem baumlangen Patienten in seinem Inneren ewig auf der Straße herum, bis klar wird, in welchem Wiener Krankenhaus ein Bett für ihn frei ist. Die diensthabende Neurologin flößt dem konsternierten Pechvogel bereits wieder Mut ein. Er wird wohl keine bleibenden Schäden davontragen, aber der "Schlagerl", wie es so hübsch österreichisch heißt, setzt dem nicht uneitlen Erfolgsmenschen und dreifachen Vater Meyerhoff natürlich mächtig zu.

So schwankt sein Roman einer Lebenskrise zwischen existenziellem Pathos und einem genauen Blick für die tragikomischen Aspekte dieses neun Tage währenden Krankenhausaufenthaltes. "Von der Rampensau zum sterbenden Schwan war es nur ein Katzensprung." Schon die joviale Sprache zeigt, dass es ganz so schlimm nicht gekommen ist. Vielen Mitpatienten auf der saalartigen, nur durch Vorhänge separierten Krankenstation geht es deutlich schlechter, was den Erzähler irgendwie auch tröstet. Für ihn sind allerdings die einsamen, schier endlosen Nächte eine Qual.

Also versucht er sich zu erinnern, an seine Kindheit, seine Mutter, den 50. Geburtstag und an diverse Reisen. Mit seinem älteren Bruder hat er einen komplett gelungenen Wanderurlaub in Norwegen verbracht. Das interessiert den Leser dann weniger. Dagegen war der Afrika-Trip mit seiner Frau in den Senegal ein echtes Abenteuer, der chaotische Mallorca-Urlaub mit der ganzen Familien nebst pubertierenden Teenagern wirkt dagegen dann auch wieder sehr banal.

Am besten ist der Erzähler Joachim Meyerhoff immer dann, wenn er konkrete Situationen beschreibt, die gern mal aus dem Ruder laufen. Da kann er seinen auf dem Theater geschulten Blick für die Komik vieler Alltagssituationen voll ausspielen. Einmal wird der verdutzte Patient mit einem gewissen Herrn Wurz verwechselt und von zwei Pflegern sehr gründlich von Kopf bis Fuß gewaschen. Zum Ende hin gewinnt sein Krankenhausroman, der vielleicht sogar zwangsläufig nicht ohne Längen auskommt, nochmal an Fahrt. "Meine Ergotherapeutin sah aus wie eine Erleuchtete, ein Medium in Adiletten", heißt es da, und die Beschreibung eines Speisesaals mit Hunderten Schlaganfallpatienten ist von grandioser Komik: "Da werden Defizite massiv weggerempelt und die Rollatoren verwandeln sich in Streitwagen."

Alles in allem ist Joachim Meyerhoff ein gut lesbarer, unterhaltsamer Roman geglückt, der zwischen bangen "Treibsandaugenblicken" und hochkomischen Passagen hübsch oszilliert. Nur die kalauernden Kapitelüberschriften wie "Armer Tropf am Tropf" oder "Die blonde Bombe halbiert sich" hätte sich der Autor glatt sparen können.

- Joachim Meyerhoff: Hamster im hinteren Stromgebiet, Kiepenheuer & Witsch 2020, 307 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-462-00024-5.

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