Köln. Die Geschichte spielt am Ende des Mittelalters. Im Mittelpunkt steht eine Frau, der die eigene Mutter nicht getraut hat. Bei Alexa von Hennig von Lange erscheint Johanna von Kastilien ganz anders.
Johanna von Kastilien galt ihren Zeitgenossen im 16. Jahrhundert als wahnsinnig. Darüber, ob sie möglicherweise an Depressionen litt, an Schizophrenie oder anderen psychischen Erkrankungen, ist schon viel spekuliert worden.
Die in Berlin lebende Schriftstellerin Alexa Hennig von Lange (47) stellt die Thronfolgerin, die nie spanische Königin werden durfte, in den Mittelpunkt ihres jüngsten Romans. Er ist wie die vorigen ("Kampfsterne", "Die Weihnachtsgeschwister") bei DuMont erschienen. Der Titel lautet passenderweise "Die Wahnsinnige".
Das ist einerseits naheliegend, andererseits nicht. Denn von Lange schildert Johanna gerade nicht als psychisch zerrüttete Irre, der die Regentschaft nicht zuzutrauen gewesen wäre, sondern als selbstbewusste Frau, die sich in vieles nicht fügen will, was von ihr erwartet wird, die die Beichte verweigert und der Kirche den Respekt.
Sie kämpft um ihre Rechte und um ihre Liebe, wird Opfer von Machtspielen und von einer gnadenlosen Herrschaftsideologie, die keine Rücksichten nimmt. Und die selbst von ihrer Mutter Isabella, der machtbewussten Königin, exekutiert wurde, die die Inquisition einführt und Andersgläubige brutal verfolgen lässt. Auch gegenüber der eigenen Tochter, der sie nicht traut und die sie lieber einsperren als ihr den eigenen Willen lässt.
Ein historischer Roman im klassischen Sinn ist es nicht geworden, das hätte von Lange auch eher nicht interessiert. Aber mit der Geschichte ihrer Protagonistin hat sie sich intensiv beschäftigt. Die Grundstruktur des Romans hält sich an die historischen Fakten.
Aber manche Dialoge und Themenstränge haben dann doch wenig mit dem Spanien des 16. Jahrhunderts zu tun, etwa wenn es um die Frage geht, ob die Würde des Menschen unantastbar sei oder darum, welche Rolle Frauen einnehmen können in einer Welt, in der Männer die Regeln definieren.
"Für meine Mutter ist das Durchsetzen ihrer Interessen das Allerschönste. Auch wenn sie dabei die Rechte anderer verletzt", lässt die Autorin Johanna sagen. Oft klingt sie so analytisch klar und emanzipiert wie eine Frau aus der Generation der Autorin. Für sie ist Johanna keine Figur aus dem fernen Mittelalter und schon gar keine Verrückte.
Johanna erträgt es auch nicht, wenn ihr Mann, Philipp, Herzog von Burgund, nicht von seinen Mätressen lassen will. Dass sie dann wütend wird und laut, beschreibt Alexa von Henning so, dass es nicht nach einer Wahnsinnigen klingt. Der Wahrnehmung aus früheren Jahrhunderten eine andere entgegenzusetzen, genau darum geht es der Schriftstellerin. Und das ist ihr durchaus gelungen.
- Alexa Hennig von Lange: Die Wahnsinnge. DuMont Buchverlag, Köln, 207 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-8321-8127-7.
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