Berlin. Der französische Nachwuchsautor David Lopez schreibt einen eindrucksvollen Roman über das gepflegte Nichtstun junger Provinzler.

Frankreichs verlorene Generation steht im Mittelpunkt erstaunlicher Debütromane unseres Nachbarlandes. Sie erzählen von einer Jugend im Abseits und ohne reelle Chancen in einer Gesellschaft, die den Kuchen schon verteilt hat.

In Marion Messinas gefeiertem Erstlingswerk "Fehlstart" ist es die Geschichte eines gescheiterten Aufstiegs. In "Aus der Deckung" von David Lopez hat die Jugend dagegen schon von vorneherein jeglichen Ehrgeiz abgelegt.

Faulenzen, chillen, sich um nichts kümmern müssen ist der gelebte Tagtraum des jugendlichen Helden Jonas, der mit seiner Clique in einem Provinzkaff abhängt. Das was eigentlich die Jugendjahre ausmacht - Pläne schmieden, Träumen nachhängen, vielleicht sogar Visionen entwickeln - ist hier völlig ausgeblendet. Die Zukunft ist abgesagt, allein die Gegenwart zählt.

Jonas und seine Freunde Ixe, Poto, Habib und wie sie alle heißen gehen keiner erkennbaren Beschäftigung oder Ausbildung nach. Einige verdienen sich etwas durchs Drogendealen, andere wie Jonas leben vom Geld des Vaters. Jonas hat anscheinend ein paar Fabriken abgeklappert, aber schon das hat ihn geschafft. "Ich häng rum, ich warte", entgegnet er, als ein Kumpel ihn nach seiner derzeitigen Beschäftigung fragt. Unglücklich ist er damit nicht.

In einem Bereich allerdings ist Jonas überdurchschnittlich gut, beim Boxen. Sein Trainer schickt ihn regelmäßig in Wettkämpfe, er sieht in ihm ein großes Talent. Doch für eine erfolgreiche Profilaufbahn müsste Jonas härter an sich arbeiten, er müsste entschlossener kämpfen und bereit sein, Schläge einzustecken. Dafür aber fehlen ihm Leidensfähigkeit, Biss und Ehrgeiz.

Tatsächlich ist Jonas ein junger Mann, der sich in der Passivität eingerichtet hat. Das gilt selbst beim Sex, wo er bei der schönen Wanda eine dienende Rolle einnimmt. In der Regel vergehen seine Tage im Kreis der Kumpel beim Kartenspielen, Kiffen und Quatsch machen. Ab und zu sorgt eine Party für Abwechslung.

Lopez hat seine Geschichte in einem schwammigen Kleinstadtmilieu angesiedelt, "irgendwo zwischen Speckgürtel und Acker". Die Jungs empfinden sich weder als Landeier noch als Vorstadtprolls, für die Dörfler sind sie Städter, für die Großstädter Hinterwäldler. Dieses soziologische Mittendrin gilt auch im Kleinteiligen: Jonas und seine Freunde entstammen einer Einfamilienhaus-Siedlung, die sich klar abhebt von den proletarischen Wohntürmen einerseits und den Luxusvillen im besseren Stadtteil andererseits.

Kumpel Lahuiss als Mittler zwischen den Milieus beherrscht sowohl den Jargon seiner Freunde wie auch das gewandte Parlieren über Themen der höheren Stände. Wie er seinen weniger beschlagenen Freunden in einer köstlichen Szene den Inhalt von Voltaires "Candide" erklärt, ist allein schon das Lesen dieses Romans wert.

"Aus der Deckung" erzählt vom Zeittotschlagen. Eigentlich tödlich für einen Roman. Denn es gibt keinen Spannungsbogen, sondern nur eine Abfolge von Szenen mit aneinandergereihten Begegnungen und Beobachtungen. Das alles wird aber in einer sehr rhythmischen, literarisch verfeinerten Jugendsprache erzählt, die die Kritik in Frankreich begeistert und Lopez einen begehrten Buchpreis eingebracht hat.

Lopez dürfte hier auch seine Vergangenheit als Rapper zugutegekommen sein. Auch seine Erfahrungen als Boxer hat er mit einfließen lassen. Wer mit diesem Sport absolut nichts anzufangen vermag, kann die etwas langatmig geratenen Szenen im Ring ja einfach überschlagen.

David Lopez: Aus der Deckung, Hoffmann und Campe, Hamburg, 256 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-455-00824-1

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