München. Ein Rocker mit Angst vorm Haareschneiden. Eine Pfarrersfrau, die die Kirche meidet. Und ein Protagonist, der im Gefängnis sitzt und seine Strafe als gerecht empfindet. Ein ausgezeichnetes Buch über Leben und Glück ist nun auf Deutsch erschienen.

Paul Hansen ist ein unscheinbarer Mann. Er verrichtet seine Aufgaben, wie sie ihm aufgetragen wurden. Er ist freundlich, hilfsbereit, ruhig. Und sitzt doch im Knast.

Dort reflektiert er sein Leben. Hinter den Gefängnisgittern. Mit seinem Zellengenossen, einem Hells-Angels-Biker, der knallhart ist - aber Angst vor Mäusen und Haareschneiden hat. Und einem Gutachter, der über einen Straferlass entscheiden soll - mit dem er aber nicht redet. Denn zu sagen gibt es aus seiner Sicht nichts.

Und er reflektiert seine Vergangenheit. Die Eltern, die sich auseinanderlebten. Er Pfarrer aus Dänemark. Sie Kino-Erbin aus Frankreich, die Provokationen liebte und keinen Schritt in seine Kirche setzte. Seine Frau, die aus einem indigenen Volk stammte und Angler per Wasserflugzeug zu kanadischen Seen flog. Seine Hündin. Seine Arbeit als Hausverwalter in einem Gebäudekomplex - und quasi nebenamtlich als Seelentröster betagter Mitbewohner.

Sie alle haben unterschiedliche Schicksale, sie alle eine andere Einstellung zum Leben. Sehr treffend lautet der Titel von Jean-Paul Dubois' Werk daher "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise".

Das Original ("Tous les hommes n'habitent pas le monde de la même façon") wurde im Herbst mit dem französischen Literaturpreis Prix Goncourt ausgezeichnet. Der ist zwar nur mit symbolischen zehn Euro dotiert, kurbelt aber vor allem die Verkaufszahlen an.

Die zehnköpfige Jury würdigte so einen von Frankreichs bekanntesten Gegenwartsautoren. Wären seine Romane aus dem Englischen übersetzt, hätte er einen Status, der mit dem von John Irving oder William Boyd vergleichbar wäre, sagte damals der Präsident der Jury der Académie Goncourt, Bernard Pivot, laut französischer Nachrichtenagentur AFP.

Dubois puzzelt die verschiedenen Lebensweisen in eine stimmige Geschichte auf rund 250 Seiten. Eine latente Spannung wird die ganze Zeit aufrecht erhalten, weil er den Lesern erst ganz zum Schluss verrät, was genau Hansen ins Gefängnis brachte. Kapitel für Kapitel wächst eigentlich der Eindruck, dass das überhaupt nicht passt und eine kriminelle Karriere kein Teil von Hansens Biografie sein kann.

Und doch: Am Ende kann man nachvollziehen, warum der Mann so handelte, wie er handelte. Und kommt vielleicht zu dem Schluss, dass sein Ansatz des stoischen Aussitzens im Zweifel nicht der ideale ist.

Dubois spickt sein Buch mit wunderbaren Sprachbildern. Das Leben im Gefängnis bezeichnet er als "Zwangsuniversum", die Religion seines Vaters beschreibt er als "Sportart, die bis dahin von keinem in der Familie beachtet worden war". An anderer Stelle beschreibt er den Geruch im Gefängnis: "Mief kasteiender schlechter Gedanken, sich überall ausbreitende Ausdünstungen schmutziger Einfälle, säuerliche Miasmen alten Bedauerns. Freie Luft kommt hier per se nicht herein." Übersetzt haben den Roman Nathalie Mälzer und Uta Rüenauver.

Tragik und Humor liegen nah beieinander - im Leben wie auch in diesem Buch. Und der Autor gibt seinem Publikum anhand der Mini-Porträts gleich mehrere Ansätze für Lebensweisen und Glücklichsein mit.

- Jean-Paul Dubois: Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise, dtv Verlag, 256 Seiten, ISBN 978-3-423-28240-6, 22,00 Euro.

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