Berlin. Nach dem Fall der Mauer: Lorenz Just erzählt von ostdeutschen Jugendlichen während der 90er Jahre.

Es erinnert an Blutsbrüderschaft, wenn Simon und sein Freund Andrej mit dem Messer ihre Initialen ins Altbau-Fensterbrett ritzen. Es ist Anfang der 1990er in Berlin.

In seinem Roman "Am Rand der Dächer" begleitet Lorenz Just die rebellischen Jungen durch die Umbrüche jenes speziellen Jahrzehnts rund um Hackeschen Markt und Torstraße. "Seit wir aus dem Kinderschlaf erwacht waren, zog es uns in den Leerstand, in die Bruch- und Trümmerbuden, wir spürten ihre schlummernde Kraft", sagt der Ich-Erzähler Andrej einmal. "Wir gehörten zu diesen Häusern wie die Tauben und Ratten."

Die Neujustierung im Viertel, in dem heute Touristen und Designershops das Straßenbild prägen, erweckt in Andrej und Simon nicht nur Träume, sondern bringt ihnen auch Enttäuschungen und Rückschläge.

Der in Berlin aufgewachsene Just (Jahrgang 1983) findet für sein treibend erzähltes Debüt eine feine, rabaukische Poesie. Seiner starken Bildsprache ("Wie ein Feuer lag ich da, war selbst die Glut, selbst die Flamme, selbst der Wind, der immer neue Ausgeburten dieser Geisterwelt, die da in mir war, auflodern ließ.") liegt eine wunderbare Unruhe inne, ein steter Drang nach Unabhängigkeit. "Am Rand der Dächer" zeigt die Generation ostdeutscher Kinder und Jugendlicher, denen die neue Welt so viel bereitzuhalten versprach.

- Lorenz Just: Am Rand der Dächer, Dumont, 272 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-8321-8111-6.

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