Berlin. Lucas Fassnacht lässt in seinem Thriller den Konflikt zwischen Arm und Reich zu einem blutigen internationalen Bürgerkrieg eskalieren.

Der Aufstand der Armen dieser Welt nimmt in Brasilien seinen Anfang. Revolutionäre stürmen den Regierungspalast in Brasilia und töten den verhassten Präsidenten Jair Bolsonaro. Ein früherer Chauffeur übernimmt die Macht.

Von da breitet sich die Revolution mit rasendem Tempo aus. Sie greift auf Mexiko über, wo ein Atomkraftwerk gekapert wird. Mehr und mehr Länder werden von dem Aufruhr ergriffen. In Moskau geht eine Bombe hoch und tötet den allmächtigen Präsidenten Putin. Die Ordnung der Welt löst sich in einem globalen Bürgerkrieg auf. Und das alles, weil ein achtlos hingeworfener Tweet als Brandbeschleuniger wirkt. Die Aufforderung #killtherich nehmen Millionen Entrechtete und Arme auf furchterregende Weise wörtlich.

Der als Poetry Slammer bekannt gewordene Autor Lucas Fassnacht dreht in seinem Politthriller "#KillTheRich" das ganz große Rad. Er schildert nichts weniger als eine Weltrevolution, man könnte auch sagen den Aufstand der Abgehängten gegen die Gewinner und Nutznießer der Globalisierung. Die Spannungen und gesellschaftlichen Verwerfungen, die seit langem überall zunehmen, entladen sich in seinem Roman in einer Eruption der Gewalt und Zerstörung. Es gibt nur wenige positive Kräfte, die dem entgegenstehen.

Da ist auf der einen Seite ein indischer Journalist, der - angetriebenen von sehr persönlichen Motiven - einen einsamen Kampf mit den Mächtigen aufnimmt. Und zum Zweiten ist es die taffe EU-Diplomatin Conrada van Pauli, die als eine Art Brandlöscher durch die Welt jagt und dabei selbst in höchste Gefahr gerät. Der Thriller-Faktor der als grau und bürokratisch verschrieenen EU ist ja nicht allzu hoch. Insofern ist es schon erstaunlich, dass Fassnacht das Wagnis eingeht, Brüssel zu einem Hauptakteur seines Romans zu machen. Zumal er nicht nur an der Oberfläche bleibt, sondern durchaus ins Detail geht und die internen Grabenkämpfe konkurrierender Personen, Behörden und Institutionen dokumentiert.

Die Hintergründe sind akribisch und sachkundig recherchiert. Das gilt überhaupt für die gesamten politischen Zusammenhänge des Romans, der an ganz unterschiedlichen Schauplätzen wie Mexiko, Brasilien, Indien, den USA oder Russland spielt. Es tauchen viele reale Politiker und bekannte Ereignisse der unmittelbaren Gegenwart auf, die geschickt in die fiktionale Geschichte eingebaut werden. Die Revolution ist weltumspannend und so ist auch die Form dieses Romans mit seinen wechselnden Schauplätzen, Nebensträngen und Protagonisten. Das macht es bei aller Spannung allerdings nicht immer einfach, den Überblick zu behalten.

Der ideologische Unterbau ist dabei etwas dürftig geraten. Denn es erscheint doch unglaubwürdig, dass ein internationaler Aufruhr von solcher Sprengkraft quasi aus Versehen von einem in die Welt gelassenen Tweet eines unbedarften Afrikaners in Malawi ausgelöst wird, während organisierte Bewegungen oder charismatische Leader hier kaum eine Rolle spielen. Erst viel später reicht der Autor die Ursachen für die "Internationale der Wütenden" nach, und zwar in Form eines Professors, der Allerwelts-Weisheiten wie diese von sich gibt: "Die Reichen wissen, dass die Zeit der Abrechnung naht. Die technologische Entwicklung hat unbeschreiblichen Wohlstand geschaffen. Aber sie hat ihn ungerecht verteilt."

Doch trotz solcher Schwächen ist der Roman eine spannende Lektüre, weil er so hautnah an den beunruhigenden Themen unserer Zeit ist. Inmitten all der Dystopien, die zurzeit so auf dem Markt sind, lässt uns der Autor hier immerhin noch einen Funken Hoffnung.

- Lucas Fassnacht: #KillTheRich. Wer Neid sät, wird Hass ernten. Blanvalet, München, 688 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-7645-0675-9.