Hamburg. Gerichtsmedizinerin Sara Linton muss sich mit Vergewaltigungen und sadistischen Frauenmorden im US-Staat Georgia auseinandersetzen. “Belladonna“ ist der Debütroman der Amerikanerin Karin Slaughter und Auftakt zu ihrer populären Grant-County-Reihe.

Für schwache Nerven ist dieses Buch ungeeignet: Mit "Belladonna" (Originaltitel: "Blindsighted") eroberte die US-Amerikanerin Karin Slaughter vor 19 Jahren schnell einen Spitzenplatz in der Thrillerszene.

Es war ihr Debütroman und der Auftakt zur später immer beliebter werdenden Grant-County-Serie. Was hat diese Story um die Kinderärztin und Gerichtsmedizinerin Sara Linton Besonderes zu bieten, um gleichermaßen zarte Gemüter wie hartgesottene Krimifans um den Schlaf zu bringen - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen? Nun, wer es noch nicht wusste, kann sich jetzt erleuchten lassen, denn "Belladonna" ist in einer Neuauflage wieder auf dem Büchermarkt.

Zum einen geht es um grässliche Verbrechen an Frauen, die an Abartigkeit kaum zu überbieten sind - leider aber durchaus vorkommen. Nicht nur im US-Bundesstaat Georgia, in dem Slaughter 1971 geboren wurde und der Schauplatz ihrer Bücher ist. Zum anderen ist es der Autorin nach eigenen Worten ein Bedürfnis, als Frau über Gewalt an Frauen zu schreiben, also aus Sicht und Befindlichkeit der Betroffenen. Ein Thema, das sie nicht mehr nur dem anderen Geschlecht überlassen will. Schockierend ist vor allem die akribische, detailgetreue Darstellung zugefügter Grausamkeiten. Und genau damit eröffnet Slaughter den Haupt-Plot in "Belladonna".

Sara Linton findet auf der Toilette einer Gaststätte in der fiktiven Stadt Heartsdale die schwer verletzte und offensichtlich missbrauchte Collegeprofessorin Sybil Adams. Trotz größter Anstrengungen kann Sara die blinde Frau nicht mehr retten. Bei der Autopsie stößt die Ärztin auf furchtbare Details. Gemeinsam mit ihrem Ex-Mann und Polizeichef Jeffrey Tolliver versucht sie, hinter das Geheimnis der schrecklichen Tat zu kommen. Sehr zum Unwillen Tollivers lässt sich die Polizistin und Zwillingsschwester der Ermordeten, Lena Adams, nicht aus den Ermittlungen heraushalten. Es dauert nicht lange, und schon gibt es die zweite Tote - eine junge Frau, die ebenfalls missbraucht und demonstrativ zur Schau gestellt wurde. Beide Frauen wurden zuvor mit dem Gift der Tollkirsche (Belladonna) gefügig gemacht.

Indizien führen die Ermittler nach Atlanta, wo ein wegen Vergewaltigung verurteilter und inzwischen auf Bewährung freigelassener Mann wieder ins Fadenkreuz der Polizei gerät. Doch natürlich verläuft die Aufklärung der Straftaten nicht so einfach. Slaughter legt Spuren in alle möglichen Richtungen. Und bis es zum Showdown kommt, wird der Leser mit zahlreichen Verwicklungen - auch privater Natur - konfrontiert. So geht es vor allem auch um die Beziehung zwischen Sara und Jeffrey, deren Ehe wegen eines Seitensprungs Jeffs vor ein paar Jahren zerbrach. Wer die späteren Romane der Grant-County-Reihe kennt, weiß, dass sie von der Verbindung der beiden getragen werden - bis...

Von Karin Slaughter, deren mehr als 20 Romane und zahlreiche Kurzgeschichten inzwischen in aller Welt in über 30 Sprachen millionenfach verkauft wurden, weiß man, dass penibel gezeichnete Brutalität zu ihrer bevorzugten Darstellungsform gehört, was möglicherweise so manchen Leser an Sebastian Fitzek erinnert. Doch anders als bei dem deutschen Schriftsteller geht es ihr dabei wohl weniger um Effekthascherei, sondern um die Tatsache, dass an Frauen begangene Verbrechen aus Scham, religiösem Duktus, Verklemmung oder sonstiger Motivation in der Tabuzone verbleiben, was sie - oberflächlich gesehen - verharmlosen könnten.

Dem stellt sie sich seit ihrem Erstlingswerk "Belladonna" vehement entgegen. Wer es also aushält, den erwarten entweder Alpträume oder durchgelesene Nächte. Denn eines muss man dem Roman bei allen Abstrichen in Stil, Logik, psychologischer Deutung und einigen Längen lassen: Er ist sehr spannend.

Karin Slaughter: Belladonna, HarperCollins Verlag, Hamburg, 480 Seiten, 11 Euro, ISBN 978-3-9596-7413-3