Stuttgart/München. Der dritte Teil von Franz Doblers Krimireihe ist nichts für Plot-Puristen. Fans des Krimipreisträgers dürfen sich dennoch - oder gerade deswegen - freuen.

Es war vermutlich nicht so geplant. Der Augsburger Schriftsteller, Journalist und Musikkenner Franz Dobler legt mit "Ein Schuss ins Blaue" bereits den dritten Ausflug ins Krimi-Genre vor.

Und nicht nur das: Der Autor von Romanen, Kurzgeschichten, Gedichten, Artikeln sowie einer vielbeachteten Biografie der Country-Legende Johnny Cash zeichnet seit Herbst 2019 auch für den "Radio-Tatort" des Bayerischen Rundfunks verantwortlich.

Er darf also als Experte gelten. Glücklicherweise folgt Dobler aber nicht den üblichen Spuren und pflegt auch in "Ein Schuss ins Blaue" seine Spleens. Musik spielt erneut eine große Rolle, seine Münchner Protagonisten bevorzugen nach wie vor die Eckkneipe gegenüber dem Leopoldstraßen-Café und sind im New Yorker Hardbop eher zu Hause als im Hardrock des weißblauen Radio-Mainstreams. Und wie ein gutes Solo im Jazz mäandern auch Doblers Romane in größeren und kleineren Schleifen um das Thema beziehungsgweise "den Fall" herum - um dann im richtigen Moment die Melodie wiederaufzugreifen.

Immerhin bleibt Dobler seiner Hauptfigur treu: Robert Fallner war "Der Bulle im Zug" und ist seit "Ein Schlag ins Gesicht" Ex-Polizist, der sich nun in der Sicherheitsfirma des eigenen Bruders verdingt. In "Ein Schuss ins Blaue" wird er zunächst mit einem Pflegekind konfrontiert. Das tut, was Kinder am besten können und Ermittler können sollten: die richtigen Fragen stellen.

Bereits der Romaneinstieg, ein Kirchenbesuch, bringt Fallner ins Schwitzen. "Und dieser Gott hilft ihnen, wenn sie ihn darum bitten? Sowas kann der?", fragt die vierzehnjährige Nadine, die vor ihrer Mutter und deren Partner nach München geflüchtet ist und nun bei Fallner und dessen Lebensgefährtin - einer Polizistin - lebt. Das allein gibt schon eine Menge Stoff. Dobler baut keine persönlichen Hintergründe der Ermittler um den Fall, sondern bettet ihn umgekehrt ins Leben seiner Protagonisten ein.

Einen Fall gibt es aber schon auch: Der Ex-Polizist und seine Kollegen überwachen einen vermutlichen islamistischen Attentäter, der sich ausgerechnet in Fallners Nachbarschaft eingerichtet hat. Und weil diese Umgebung, dieses stets bedrohte Biotop nahe dem Münchner Hauptbahnhof, unter anderem ein Antiquitätengeschäft mit griechischem Inhaber, einen arabischen Gemüseladen sowie die Kneipe "Bertls Eck" beherbergt, wird nicht zuletzt viel geredet.

Es geht um Religion, Politik, Identität, Nationalität, Gott und die Welt halt. Doblers Figuren sind Lebenskünstler mit reichlich Street Credibility, die alle ihre eigene Philosophie pflegen. Die Dialoge erinnern bisweilen an "Herr Lehmann"-Autor Sven Regener. Das dürfte Plot-Puristen in nichts Geringeres als die pure Verzweiflung treiben. Dobler-Fans hingegen kennen und lieben diese Art des Erzählens, auch wenn der Krimi dabei manchmal eine Auszeit nimmt.

Laut Spiegel schreibt Franz Dobler "wie kein Zweiter in Deutschland", weiß der Klappentext. Das mag etwas hoch gegriffen sein. Interessanter - und bezeichnend für die deutsche Literaturlandschaft - ist: So hat er schon immer geschrieben. Die ganz große Anerkennung bekommt der heute 60-Jährige allerdings erst, seit er Krimis verfasst. "Ein Bulle im Zug" gewann 2015 den (undotierten) Deutschen Krimipreis. Der Nachfolger landete immerhin noch auf Platz drei der renommierten Auszeichnung. Das war vermutlich nicht so geplant. Verdient hat es Franz Dobler allemal.

- Franz Dobler: Ein Schuss ins Blaue, Klett-Cotta, Stuttgart, 288 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-608-50346-3.