München. Mit “Das Leben der Eichhörnchen“ kann sich Josef H. Reichholf sicher sein, auf eine breite Leserschaft zu treffen. Die dürfte sich allerdings etwas wundern, dass der lustige Nager gleich die halbe Verwandtschaft mitbringt.

Eichhörnchen mag jeder. Noch dazu ist das Nagetier längst zum Stadtbewohner geworden.

"Den Eichhörnchen geht es gegenwärtig in den Städten weit besser als draußen in den Wäldern", schreibt der Autor Josef H. Reichholf. Und nicht nur das: "Sie sind ziemlich frei und flexibel. Das macht sie über ihr nettes Wesen hinaus so interessant."

Reichholf ist offensichtlich ebenfalls Fan. Als ehemaliger Leiter der Zoologischen Staatssammlung München analysiert er ganz nüchtern, warum die meisten Menschen Eichhörnchen niedlich finden: rundes Gesicht mit großen Augen, buschiger Schwanz, Vorderpfoten wie Hände. Seine Erläuterungen zu Ernährung, Lebensdauer, Energiehaushalt, Vermehrung, Nestbau etc. geben interessante Hinweise für den nächsten Wald- oder Parkspaziergang. Vergleiche mit anderen Arten helfen zur Einordnung.

Mit einem weitverbreiteten Mythos räumt Reichholf quasi im Vorübergehen auf: "Es weiß, wo es Nüsse oder Eicheln versteckt hat." Demnach ist es also nicht so, dass die Tiere ihre eigenen Vorratslager vergessen und den Winter nur überleben, weil sie über die Verstecke ihrer Artgenossen stolpern. Dafür spricht auch die gegenseitige Abneigung: "Eichhörnchen mögen einander bei Weitem nicht so sehr, wie wir meinen möchten, weil sie so nett aussehen."

Ausführlich und kritisch analysierend ist das Kapitel über Grauhörnchen. Der eingebürgerten, nordamerikanischen Variante wird hierzulande gerne nachgesagt, sie würde "unser" europäisches, rotes Eichhörnchen verdrängen. Laut Reichholf ist dieser Wettbewerb keinesfalls bereits entschieden, selbst wenn der US-Import durch Größe und Gewicht auf den ersten Blick die besseren Voraussetzungen hat: "Das Grauhörnchen ist kein Musterbeispiel für eine fremde Art, die eine heimische gefährdet und verdrängt."

So weit, so interessant. Das Problem: Trotz aller Detailfreude trägt das Thema keine 200 Seiten. Vermutlich auch deshalb führt Reichholf alles an, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Große Teile des Buchs sind der "Eichhörnchen-Verwandtschaft" wie Biber und Siebenschläfer gewidmet.

Das mag für Hobbybiologen interessant sein, der gemeine "Squirrel-Spotter" fragt sich jedoch, warum in "Das Leben der Eichhörnchen" über 30 Seiten lang das Leben des Siebenschläferbabys "Schmurksi" erzählt wird. Das Tierjunge wurde einst von der Familie des Autors großgezogen. Zitat: "Schmurksi spielte viel." Selbst wenn Siebenschläfer laut Reichholf die "Nachtausgabe des Eichhörnchens" sind - man will doch auch nicht in einem Hundebuch seitenlange Berichte über die Aufzucht von Kojotenbabys lesen.

"Das Leben der Eichhörnchen" ist das klassische Geschenkbuch: populäres Thema, nicht zu dick, ansprechendes Design. Und wer sich nicht an weitschweifigen Vergleichen und rührenden Geschichten über tierische Pflegekinder stört, findet die ideale Lektüre für die Fensterbank mit Blick auf den nächsten Baum. Kleiner Tipp: Aufs Fenstersims ruhig ein paar Nüsse legen, Eichhörnchen können beileibe nicht nur Baumstämme hochklettern.

- Josef H. Reichholf: Das Leben der Eichhörnchen, Hanser Verlag, 224 Seiten mit Illustrationen und Register, 20,00 Euro, ISBN 978-3-446-26407-6.