Hamburg. Geht schon gut los. Da denkt man noch, dass Jacinta Nandi wirklich eine tolle Autorin ist, witzig, provokant, klug, aber dass der Titel ihres neuen Buches „50 Ways To Leave Your Ehemann“ irgendwie nicht funktioniert. Und dann sitzt man bei Nandis Premierenlesung auf Kampnagel, und das erste, was Moderatorin Marlen Hobrack feststellt, ist: „Der Titel des Buchs triggert vor allem Männer.“ Touché. Nach nicht einmal einer Minute.
Nandi, geboren 1980 in London und seit Jahren in Berlin wohnhaft, als Autorin unter anderem für „taz“, „Guardian“ und „Missy Magazine“ im Einsatz, beschreibt in „50 Ways To Leave Your Ehemann“ eine Passage aus dem eigenen Leben: wie sie sich aus einer ungesunden Beziehung befreite. Und wie sie das Leben als Alleinerziehende (halbwegs) meisterte.
"50 Ways To Leave Your Ehemann“ – ein harter Stoff
Ein harter Stoff, in dem es um emotionale Abhängigkeiten geht und um strukturelle Ungerechtigkeiten. Aber wie Nandi diesen harten Stoff präsentiert, böse, illusionslos und vor allem wahnsinnig humorvoll, das macht die Qualität ihres Schreibens aus. „Ich bin anscheinend einfach superlustig“, grinst sie ins Publikum. Und als Hobrack fragt, ob sich im Humor womöglich ihre britische Herkunft ablesen ließe, seufzt Nandi. „Seit 22 Jahren in Deutschland, und überhaupt nicht integriert!“
Die Nähe zwischen Nandi und Hobrack prägt den Abend: Auch die Moderatorin ist Journalistin und Autorin, sie schreibt über ähnliche Themen, und sie war ebenfalls lange alleinerziehend. Allerdings fehlt ihr der reizende englische Akzent Nandis. Und ebenso fehlt ihr deren derber Arbeiterklassen-Charme.
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„50 Ways To Leave Your Ehemann“: Der Titel geht gar nicht
Gnadenlos poltert die Britin durch die Erzählung, holzt nebenbei eine Freundin um, die ihrem Status als „Single Mom“ vor Verachtung triefendes Mitleid entgegenstellt, lästert über hässliche Penisbilder und den Datingmarkt für Alleinerziehende und bekennt sich dazu, Youtube als Babysitter einzusetzen. Und wird mit einem Schlag ernst: Mag sein, dass die Beschreibungen witzig sind, aber was hinter ihnen liegt, ist kein Spaß. Patriarchale Muster zum Beispiel in der Sozialgesetzgebung machen es Alleinerziehenden wie Nandi weiterhin schwer. Und diese Schwere lässt sich nicht mit einem Gag wegwischen: Die Autorin ist wütend, und diese Wut bleibt präsent.
Was es freilich den gesamten Abend über nicht gibt, sind befriedigende Tipps, wenn man den Gatten verlassen möchte. „50 Ways To Leave Your Ehemann“ ist ein tolles Buch, das die Abgründe im Komischen entdeckt und den Witz in der Grausamkeit, aber der Titel: geht gar nicht.
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