Hamburg. Es schien wie eine niemals endende Geschichte, wie eine ewige Wiedervorlage, doch nun scheint es tatsächlich ein Happy End zu geben: Am Dienstagmittag gaben die Hamburger Kulturbehörde und das Hamburg Ballett bekannt, dass die einzigartige Ballettsammlung und das Archiv zum Gesamtwerk von John Neumeier eine Heimat gefunden haben – in einer Villa am Mittelweg 55, in der die Stiftung John Neumeier ein Ballett-Institut einrichten wird. Für den Kauf, die Sanierung und den Umbau der Immobilie stellt die Stadt 15 Millionen Euro zur Verfügung.
„John Neumeier hat in den letzten Jahrzehnten die Ballettwelt geprägt wie kaum ein anderer. Zusammen mit der Stiftung John Neumeier ist es nun gelungen, den unermesslichen Schatz seines Gesamtwerkes und seiner bedeutenden Ballettsammlung dauerhaft für Hamburg zu sichern und zugänglich zu machen“, freut sich Kultursenator Carsten Brosda. Dabei solle das Institut John Neumeier „nicht nur das Werk unseres Ehrenbürgers sichern, sondern auch ein internationaler Ort der Auseinandersetzung mit dem Tanz sein“.
Hamburger Ballet: Immobilienmarkt erschwerte die Suche
Finanzsenator Andreas Dressel ergänzt, bei der aktuellen Preisentwicklung bei Immobilien in Hamburg sei der Erwerb eines passendes Gebäudes eine besondere Herausforderung gewesen, die der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen LIG ausgesprochen erfolgreich bewältigt habe.
Große Zufriedenheit herrscht natürlich auch bei John Neumeier, der erklärt, schon lange vor der Gründung seiner Stiftung im Jahr 2006 habe er das Gespräch mit dem Senat gesucht und freue sich ganz besonders, dass seine Sammlung und sein Lebenswerk nun ein dauerhaftes Zuhause in seiner Wahlheimat Hamburg gefunden haben.
Neumeiers Sammlung sei für die Öffentlichkeit
„Meine Ballettsammlung ist als stetige Inspiration meiner vielfältigen Werke mein Leben lang gewachsen. Insofern war mir schon lange klar, dass dieses umfassende Anschauungsmaterial nicht nur für die Recherche meiner eigenen Arbeit bestimmt ist: Die Sammlung müsste in der einen oder anderen Form die Öffentlichkeit erreichen.“ Das wird nun geschehen.
John Neumeier, der seit 1973 Ballettdirektor und Chefchoreograf des Hamburg Balletts ist, hat binnen 50 Jahren eine einzigartige Sammlung zusammengetragen, in der sich Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Grafiken, Skulpturen und Figuren ebenso finden wie Gebrauchsgegenstände aus dem Alltag der Compagnien.
Sammlung mit bis zu 50.000 Exponate
Zudem sind in einer etwa 14.000 Titel starken Bibliothek zur Geschichte des Tanzes umfangreiche Dokumente, Manuskripte und Autografen archiviert. Insgesamt handelt es sich bei Neumeiers Sammlung um 45.000 bis 50.000 Exponate, darunter auch besonders wertvolle Stücke wie die Korrespondenz des Ballettreformators Jean-Georges Noverre aus dem 18. Jahrhundert und Spitzenschuhe der österreichischen Ballerina Fanny Elßler, die diese im Jahr 1843 als Giselle im gleichnamigen Ballett trug.
Ein Herzstück der Kollektion sind Leben und Werk von Vaslav Nijinsky. Von der Menükarte bei der Hochzeit des Tänzers im Jahr 1913 bis zu den abstrakten Bildern, die der irgendwann dem Wahnsinn verfallene Nijinsky zeichnete, reicht das Spektrum. Und natürlich sind auch die mehr als 170 Choreografien von John Neumeier selbst ein bedeutender Teil der weltweit einzigartigen Sammlung, die künftig im Ballett-Institut am Mittelweg wissenschaftlich aufbereitet und genutzt werden kann.
Lange Suche nach Räumlichkeiten
Bereits im Jahr 2002 hatte John Neumeier einen Vorstoß unternommen, um seine Sammlung und sein Lebenswerk für Hamburg zu sichern. Gemeinsam mit der damaligen Kultursenatorin Dana Horáková besichtigte Neumeier damals die Räumlichkeiten der früheren Lola-Rogge-Schule an der Tesdorpfstraße (nähe Moorweide), doch der Plan zerschlug sich.
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Knapp zwei Jahre später verkündete die zu der Zeit amtierende Kultursenatorin Karin von Welck bei einem Empfang zum 30. Hamburg-Jubiläum von John Neumeier, sie freue sich „auf die Eröffnung des Ballettmuseums“ – zu der Zeit war eine Villa in Harvestehude fest im Visier, doch daraus wurde ebenfalls: nichts. Auch die HafenCity als Standort sowie eine Angliederung der Sammlung an das Museum für Kunst & Gewerbe waren im Gespräch. Für John Neumeier bedeutete das: immer wieder neue Angänge, immer wieder enttäuschte Hoffnungen.
Umso größer das Glück, dass endlich eine Lösung gefunden wurde, die Hamburg weit über die Ära von John Neumeier hinaus zu einer der weltweiten Ballett-Metropolen machen dürfte.
Informationen zu John Neumeier und dem Hamburg Ballett: hamburgballett.de; zur Stiftung: johnneumeier.org
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