Neuverfilmung

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“: Das ist die neue Christiane F.

| Lesedauer: 12 Minuten
Peter Zander
Jana McKinnon als Christiane F.

Jana McKinnon als Christiane F.

Foto: Mike Kraus / dpa

Ein Interview mit Jana McKinnon, die die Hauptrolle in der Neuverfilmung des Sachbuch-Bestsellers der 80er-Jahre spielt.

Berlin.  Was für eine Wahnsinnsrolle. Und welch hohe Erwartungen sind damit verknüpft. Als 1981 die Verfilmung des Sachbuch-Bestsellers „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ in die Kinos kam, wurde die Hauptdarstellerin Natja Brunckhorst gerade mal 14 Jahre alt – und kam mit der plötzlichen Popularität nicht klar. Nun ist „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ erneut verfilmt worden, diesmal als Serie für Amazon Prime. Die Hauptrolle spielt die Österreicherin Jana McKinnon (22), die hierzulande noch nicht so bekannt ist, aber damit wohl ihren Durchbruch erleben dürfte.

Hamburger Abendblatt: Frau McKinnon, wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?

Jana McKinnon Ich war Anfang 2019 gerade nach Berlin gezogen. Und wollte gerne mal etwas lesen, was mit der Stadt zu tun hat. Dabei bin ich, ich weiß nicht wie, auf „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ gekommen. Das Buch hat mich total mitgenommen, ich musste es manchmal bewusst weglegen. Zwei Wochen später wurde ich, ohne davon zu wissen, vom Casting eingeladen. Ich konnte kaum glauben, dass ich für Christiane vorsprechen durfte. Dann ging alles sehr schnell. Am Freitag hörte ich vom Casting, am Samstag kam der Text, am Montag war das Vorspielen und am Dienstag hatte ich die Rolle.

Sie sind Österreicherin und haben in Wien gewohnt. Warum musste es plötzlich Berlin sein?

Ich wollte mal aus Wien raus, was anderes sehen, auch in eine größere Stadt. Ich musste schon zuvor oft nach Berlin wegen Terminen. Da dachte ich: Geh‘ ich halt dahin.

Da ist eine Produktion wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wohl auch eine Feuertaufe, wo man Berlin gleich noch mal ganz anders kennen lernt?

Das kann man wohl so sagen. Ich pendele aber auch noch ganz viel nach Wien. Und ich bin so aufgewachsen, dass man viel reist und umherzieht. Das liegt mir auch. Ich glaube, ich kann auch gar nicht lange an einem Ort bleiben.

Sie sind Jahrgang 1999, das Buch erschien 20 Jahre zuvor, auch der Kinofilm ist jetzt 40 Jahre alt. Sagte Ihnen der Name Christiane F. überhaupt etwas? Kannten Sie den alten Film, das Buch?

Irgendwie schwirrt der Begriff so herum in der Welt. Den Titel hat man irgendwann mal gehört. Ich habe auch mitbekommen, dass es oft in der Schule gelesen wird, auch wenn das bei uns nicht im Lehrplan war. Den Film habe ich dann das erste Mal gesehen, als ich besetzt wurde. Das war mir wichtig für meine Vorbereitungen.

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Sie wurden 2016 bei der Romy-Verleihung als beste Nachwuchsschauspielerin nominiert, 2018 beim Studio Hamburg Nachwuchspreis und 2020 mit New Faces Award ausgezeichnet. Ist man es da ein bisschen leid, über die Jahre immer als Nachwuchs gehandelt zu werden?

Noch bin ich ja nicht so alt. Ich weiß eh nicht, was man damit anfangen soll, dass man fürs Schauspielen Preise bekommt. Klar hilft das in der Branche, wenn man einen Preis bekommt. Und natürlich ist das ein schönes Gefühl, wenn man für seine Arbeit gewürdigt wird. Aber das Schauspielen ist etwas, was ich persönlich überhaupt nicht messen oder vergleichen kann. Ich mache einfach die beste Arbeit, die ich machen kann. Und dafür mach ich’s, nicht für irgendwelche Preise.

Haben Sie jetzt ein bisschen Muffe, wenn die Serie startet? Jeder kennt das Buch, jeder kennt den Film. Gibt es da, wenn man in so große Fußstapfen tritt, Angst vor einem Vergleich, Angst, vielleicht nicht gerecht geworden zu sein?

Man setzt sich immer Kritik aus, wenn man eine Geschichte noch mal neu erzählt. Vor allem, wenn man sie so anders erzählt. Die Serie unterscheidet sich ja komplett von dem Film. Man muss es einfach als etwas Neues betrachten. Ich stand da auch anfangs etwas unter Druck, weil das so ein großer Name ist. Und weil das Buch und der Film bei vielen große Emotionen ausgelöst hat. Klar fragt man sich, ob man dem überhaupt gerecht werden kann. Ich hab‘ dann aber schnell realisiert, dass ich es nicht jedem recht machen kann. Und dass das auch eigentlich gar nicht mein Ziel sein sollte. Ich wollte und musste eine eigene Christiane kreieren. Die andere gab’s ja schon.

Natja Brunckhorst wurde durch den Film über Nacht berühmt, kam damit aber nicht zurecht. Erst floh sie nach England, heute ist sie Drehbuchautorin, keine Schauspielerin mehr. Müssen auch Sie sich wappnen vor so einem eventuellen Popularitätsschub?

Ich bin sehr gespannt, was da jetzt kommen wird. Aber Natja Brunckhorst war damals beim Dreh ja wirklich erst 13. Und ein Neuling. Ich war schon bei den Dreharbeiten 20 und habe schon davor Filme gedreht. Deshalb hoffe ich mal, dass ich anders gerüstet bin. Und dass man mich auch als Schauspielerin wahrnimmt und nicht, wie bei ihr, mit der Rolle verwechselt. Aber das ist ein Risiko, das man eingehen muss. Es ist aber in der Serie auch so, dass der Fokus nicht auf Christiane F. liegt, sondern auf der ganzen Clique vom Zoo.

Und wie war denn die Zusammenarbeit mit den anderen jungen Darstellern, den anderen „Kindern vom Bahnhof Zoo“?

Das war ein riesengroßes Geschenk. Das sind alles so tolle, feinfühlige Menschen. Wir hatten eine sehr liebevolle Art, miteinander umzugehen. Wir sind wirklich gute Freunde geworden, auch wenn wir alle sehr verschieden sind und sonst wohl nicht zusammengekommen wären. Aber wir haben eben eine sehr intensive Reise miteinander erlebt. Wenn ein Drehtag sehr schwer war, haben wir auch den Abend noch miteinander verbracht. Und wenn einen die Kraft verlassen hat, haben die anderen mitgezogen. Das hat wirklich zusammengeschweißt.

Wenn man so eine Extremrolle spielt – macht das was mit einem? Kann man die einfach so ablegen oder wirkt die auch nach den Dreharbeiten noch nach?

Das ist keine Geschichte, die man so einfach ablegen kann. Gerade, wenn man das nicht nur sechs Wochen lang dreht, sondern über ein halbes Jahr. Du schläfst damit ein und wachst damit auf. Ich habe mir so beholfen, dass ich mir ganz für mich kleine Rituale geschaffen habe. Ich habe viel Kontakt nach Hause gehabt, das war ganz wichtig. Aber wir hatten auch einen großartigen Regisseur. Philipp Kadelbach war immer für uns da. Da fühlten wir alle uns sehr gut aufgehoben. Und wir haben auch die kleinsten Szenen immer sehr intensiv geprobt, wir hatten viel Freiheit, um uns in den Szenen zu finden. Und bei den Proben durften nur die Schauspieler, der Regisseur und der Kameramann dabei sein, sonst niemand.

Sie haben in Österreich viele Filme gedreht, in Deutschland kennt man sie auch schon, etwa aus „Wach“. Meinen Sie, Sie werden durch „Wir Kinder vom Bahnhof“ noch bekannter hier, könnte das eine Art Sprungbrett sein?

Ich schauspiele nicht, um bekannt zu werden. Aber ich bin natürlich gespannt, was jetzt passiert. Und sehr aufgeregt, dass die Serie jetzt in die Welt geht. Ich laufe damit ja schon seit anderthalb Jahre herum.

Die Serie ist eine Hybridform, sie spielt in den 70-ern, wird aber dennoch sehr heutig erzählt. Was denken Sie, ist es eine Produktion, die Ihre Generation anspricht, die Sie ansprechen würde?

Ich hoffe, dass es so wird. Ich habe die Serie jetzt zwei Mal gesehen. Ich kann das noch nicht ganz trennen, da kommen noch viele Erinnerungen von den Dreharbeiten hoch. Aber die Serie nimmt mich sehr mit. Ich gehe mit auf diese Reise. Und ich hoffe, dass es den Zuschauern genauso geht.

Wenn man das so heutig für die jetzige Generation erzählt, müsste es dann nicht auch um ganz andere Drogen gehen, um Ecstasy etwa oder Crystal Meth?

Heroin ist in Deutschland sicher nicht mehr die Droge Nummer eins, vermutlich gerade weil nach dem Erscheinen des Buches so viel Aufklärungsarbeit geleistet wurde. Aber in den USA gibt es eine regelrechte Opiatkrise von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die dem Heroin fast gleich sind. Da werden wahnsinnig viele Menschen in die Abhängigkeit getrieben, und dahinter steht eine ganze Industrie, die daran verdient.

Sorry, falls die Frage zu persönlich sein sollte, aber die muss man wohl in dem Zusammenhang stellen: Haben Sie je selbst Drogenerfahrungen gemacht oder welche in Ihrem unmittelbaren Umfeld mitbekommen?

Ich habe natürlich schon mal Alkohol getrunken, dieser Rausch war aber nie so meins. Ich habe früh begonnen auszugehen. War dann aber oft die einzige, die nüchtern geblieben ist. Ich habe vor allem viel im Internet recherchiert, und dann auch mit einem ehemaligem Abhängigen gesprochen. Ich habe dann durch die intensive Recherche begonnen, regelmäßig davon zu träumen. Ich träumte davon, auf einem Trip zu sein, aber dann, wie ich einen Entzug mache. Diese Schmerzen meinte ich förmlich zu spüren. Das war so ein Erfahrungsschatz, der in meinem Körper abgespeichert war und auf den ich beim Spielen zurückgreifen konnte.

Und werden Sie sich die Serie jetzt, wenn sie startet, noch einmal schauen mit Familie oder Freunden?

Es gibt schon einige Freunde, die sich angemeldet haben, dass sie das gern mit mir schauen wollen. Aber ich habe die Serie schon zwei Mal gesehen, mit den anderen Darstellern. Das war sehr emotional, wir mussten da ständig Händchen halten. Und es fällt mir auch nicht leicht, mich anzuschauen. Deshalb werde ich eher schauen, dass ich mich dem entziehe. Mal sehen, wie ich da wieder rauskomme.

Und was steht als nächstes an?

Ich war vergangenes Jahr auf der Berlinale mit „The Trouble With Being Born“. Der ist noch nicht ins Kino gekommen, startet aber, sowie die wieder öffnen dürfen. Der ist mir sehr wichtig, mit Sandra Wollner habe ich schon mal einen Film gedreht, als ich 16 war. Und im Herbst habe ich mit Clemens Schick einen Film über die Otto-Muehl-Kommune gedreht. Jeanne Tremsahl, die das Drehbuch geschrieben hat, ist in der Kommune aufgewachsen. Ich spiele sie, und sie wirkte auch mit und spielte ihre eigene Mutter. Also wieder eine Person, die es schon gibt.

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ läuft ab 19. Februar bei Amazon Prime Video